Tolino Shine 1 und Kindle Paperwhite 1 im Vergleich

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Es war das wohl wichtigste Duell des eBook-Jahres 2013: Kindle Paperwhite vs. Tolino Shine. Der eBook Reader von Amazon punktete im vergangenen Jahr mit der neuen, damals exklusiven, Carta-Technik, was ihn schnell zum Liebling vieler digitaler Lesefreunde machte. Neben dem geschlossenen System hatte das Gerät aber einen weiteren Nachteil gegenüber dem damals jungen Tolino Shine: Der Preis lag regulär mit 129 Euro deutlich höher (30 Euro mehr).

Mit dem Shine startete die Tolino-Allianz ihre Aufholjagd am deutschen eBook-Reader-Markt. Damit das gelingt, wurde der Preis von Anfang an auf 99 Euro festgesetzt, sodass die Preisersparnis gegenüber dem Hauptkonkurrenten für viele Interessenten genügend Anreiz war, das Lesegerät der heimischen Filialisten zu kaufen. Einen Marktanteil von rund 12 Prozent konnte der Tolino Shine in circa einem Jahr gewinnen, womit es der eReader direkt auf Platz 2 hinter die länger verkauften Kindle Geräte und vor viele Konkurrenten (Sony, Kobo, PocketBook) geschafft hat.

Auch heuer befinden sich die beiden Modelle im Konkurrenzkampf, allerdings mit veränderten Positionen. Ob der Shine noch immer das Zeug hat, den Paperwhite auszustechen und welches Gerät die bessere Wahl ist, zeigt der nachfolgende Vergleich.

Software

Der Vergleich der Startbildschirme entspricht jenem von Paperwhite und Vision 2. Die Tolino Geräte nutzen die gleiche Bedienoberfläche, sodass es beim Shine keine Unterschiede gibt. In der Praxis bedeutet das, dass sich die Kindle Paperwhite und Tolino Shine Homescreens zunächst relativ ähnlich sind. In beiden Fällen werden Buchcover angezeigt, darunter eBook-Empfehlungen aus dem angeschlossenen Shop. Beim Kindle kann man diese glücklicherweise ausblenden, die Tolino-Allianz bietet diese Möglichkeit leider weiterhin nicht an.

Der Paperwhite bietet im Gegensatz zum Shine allerdings auch keine eigene Bibliotheksansicht. Stattdessen funktioniert der Startbildschirm am Amazon Gerät als solche, was Vor- und Nachteile hat, letztendlich aber wohl Geschmackssache ist. Bei beiden Geräten lassen sich die Sammlungsfunktionen nicht mit der allseits beliebten eBook-Verwaltungssoftware Calibre nutzen. eBooks können aber selbstverständlich trotzdem mittels Calibre auf die eReader kopiert werden.

Startbildschirme im Vergleich, Tolino Shine (links) und Kindle Paperwhite (rechts)

Der größte Vorteil des Tolino Shine ist die oftmals beworbene Offenheit. Mit dem Gerät der Buchhandelspartner kann man (abgesehen von Amazon) im Grunde jeden beliebigen Shop nutzen (der das ePub-Format anbietet), wohingegen der Paperwhite mehr oder weniger auf das Amazon-Angebot beschränkt ist. Vom Sortiment, Preis und der Nutzung macht das letztendlich zwar keinen großen Unterschied, allerdings bindet man sich eben doch stärker an einen Anbieter, was z.B. beim Gerätewechsel nachteilig sein kann.

Bedienung und Grundfunktionen

Beide Modelle bieten eine sehr flotte Bedienbarkeit. Obwohl der Tolino Shine einen etwas langsameren Prozessor besitzt (i.MX 5 mit 800 MHz), ist dieser im praktischen Alltag nicht langsamer als der Paperwhite (i.MX 6 mit 1 GHz). Der Tolino Shine wird über einen Infrarot-Touchscreen bedient, dessen Empfindlichkeit (wie von der Technik gewohnt) hervorragend ist. Dahingegen bietet der Kindle Paperwhite einen kapazitiven Touchscreen – ebenfalls mit ausgezeichneter Reaktionsfreudigkeit. Umgeblättert wird auf beiden eReadern ausschließlich über den berührungsempfindlichen Bildschirm (wischen oder antippen).

Die Schriftbildoptionen sind sich recht ähnlich. Offenbar haben sich die Tolino-Macher ein wenig von der Kindle-Software inspirieren lassen. Neben der möglichen Auswahl von fünf bzw. sechs Schriftarten, kann man die Schriftgröße in sieben Stufen, sowie die Zeilen- und Randabstände in drei Stufen anpassen. Zusätzlich kann man am Shine außerdem die Textausrichtung wählen (Blocksatz, linksbündig, zentriert). Außerdem beherrscht der Tolino eBook Reader Silbentrennung, eine Funktion die der Kindle Paperwhite trotz oftmals geäußertem Kundenwunsch (im deutschsprachigen Raum) weiterhin nicht anbietet.

Schriftbildanpassung

Der eBook-Kauf funktioniert auf beiden Geräten ähnlich einfach, wobei Amazon die Sache dank fehlender Adobe DRM Unterstützung, in Hinblick auf eine möglichst einfache Bedienbarkeit, aber einen Tick besser hinbekommen hat. Somit muss man sich nicht (einmalig) bei zwei unterschiedlichen Anbietern anmelden.

Erweiterte Funktionen

Sowohl Kindle Paperwhite als auch Tolino Shine bieten Wörterbuch- und Notizfunktionen an.

Die Wörterbuchfunktion wurde am Kindle besser gelöst: Die Wortdefinition bzw. Übersetzung öffnet sich in einem kleinen Fenster und ist somit direkt im Text-Kontext sichtbar (siehe nachfolgendes Bild). Außerdem kommt als deutsches Wörterbuch der Duden zum Einsatz und es besteht die Möglichkeit zur Erweiterung. Bei bestehender WLan (oder 3G-) Verbindung kann man Wörter auch bei Wikipedia nachschlagen und eine Online-Übersetzungsfunktion von Microsoft Bing nutzen.

Am Tolino Shine öffnet sich die Wörterbuchfunktion nur mit einem weiteren Klick, in einem neuen, bildschirmfüllenden Fenster. Als Quelle kommt aktuell das kostenlose Wiktionary zum Einsatz, das nicht mit der Qualität redaktionell gepflegter Wörterbücher mithalten kann. Es hat allerdings den Vorteil, dass es zahlreiche vorinstallierte Wörterbücher vom und ins Deutsche gibt.

Der Paperwhite (rechts) bietet mehr Möglichkeiten um ein Wort nachzuschlagen

Die Notizfunktion wird in beiden Fällen gleich aufgerufen (man bleibt mit dem Finger auf einem Wort und kann diesem eine Notiz hinzufügen). Bei beiden Geräten werden die erstellten Notizen in einer einfach zu kopierenden TXT-Datei abgespeichert und können so später auch problemlos extern weiterverarbeitet werden.

Abgesehen davon bieten beide Modelle einen Internet-Browser, der sich trotz E-Ink Display zum schnellen Nachschlagen gut nutzen lässt. Der Amazon eBook Reader hat allerdings mehr Funktionen (Lesezeichen und Artikelmodus), während der Browser des Shine relativ arg beschnitten wurde (keine Lesezeichen und keine einstellbare Startseite). Darüber hinaus gibt’s am Kindle Paperwhite mit dem Vokabeltrainer und der Kindersicherung zwei Funktionen die man am Shine nicht findet.

Hardware

Die beiden eBook Reader haben zwar eine ähnliche Größe (der Shine ist etwas höher), präsentieren sich aber ansonsten sehr unterschiedlich. Auffällig ist dabei natürlich das Design des Tolino Shine, der mit der braunen Färbung des Gehäuses aus der Masse der eReader sticht. Viele kritisieren das biedere Design des Geräts, aber selbst wenn es einem nicht gefällt, muss man anerkennen, dass die Verarbeitung tadellos und die Haptik dank der abgerundeten Kanten sehr angenehm ist. Die relativ große Angriffsfläche unter dem Display sorgt außerdem dafür, dass das Gerät bestens in der Hand liegt.

Der Kindle Paperwhite sieht dagegen aus wie die meisten anderen eReader: Schwarz. Die Optik ist damit jedenfalls neutraler und unauffälliger, aber auch etwas gefälliger. Bei der Verarbeitung gibt es ebenfalls nichts auszusetzen und auch haptisch ist der Amazon eBook Reader ansprechend gestaltet.

Abgesehen vom unterschiedlichen Design ist auch das niedrigere Gewicht des Shine auffällig. Dieser bringt nur 183 Gramm auf die Waage, wohingegen der Paperwhite mit 206 Gramm etwas mehr wiegt.

Der Paperwhite bietet seit dem heimlichen Facelift 3,13 GB Platz (nicht erweiterbar), beim Tolino Shine sind es nur 2,09 GB (mit MicroSD-Karte erweiterbar). WLan als Drahtlosverbindungsmöglichkeit steht ebenfalls bei beiden Modellen zur Verfügung. Der Kindle bietet außerdem eine optionale 3G-Unterstützung. Für einen Aufpreis von 60 Euro kann man damit quasi überall (auch im Ausland) ohne Zusatzkosten im integrierten Shop einkaufen. Besonders für Personen die zuhause kein Internet oder WLan haben, ist diese Verbindungsoption eine praktische Sache.

Bildschirm

Die größten Unterschiede sind in den Bildschirmen zu sehen. Zwar bieten beide Modelle mit 1024×758 Pixel die gleiche Auflösung, allerdings nutzen sie unterschiedliche Generationen der E-Ink Technik. Während im Tolino Shine E-Ink Pearl zum Einsatz kommt, ist im Paperwhite die neuere Carta-Technologie in Verwendung.

Der Unterschied macht sich zunächst schon ohne aktivierter Beleuchtung bemerkbar, denn das Display des Kindle ist in den allermeisten Beleuchtungssituationen heller und kontrastreicher, was die Ablesbarkeit erleichtert. Natürlich ist aber auch der Tolino Shine gut ablesbar, denn E-Ink Pearl ist selbstverständlich weiterhin eine gute Technik. Im direkten Vergleich zieht der Tolino eReader aber dennoch den Kürzeren.

Der Amazon eReader hat den besseren Kontrast

Besonders auffällig wird der Unterschied, wenn man die Beleuchtung aktiviert. Die Ausleuchtung des Kindle Paperwhite gehört zu den besten am Markt, d.h. das Licht verteilt sich gleichmäßig über den Bildschirm und kann mit einem angenehm weiß-gelben Farbton überzeugen. Gut sichtbar ist dabei auch die Kontrasterhöhung mit aktivierter Beleuchtung.

Der Tolino Shine ist dank des integierten Lichts ebenfalls bei Dunkelheit ablesbar, allerdings ist die Lichtverteilung nicht so gleichmäßig wie beim Paperwhite und auch der Kontrast bleibt hinter dem Konkurrenten zurück.

Preis-Leistungs-Verhältnis

Die beiden eBook Reader befinden sich mittlerweile eigentlich nicht mehr im gleichen Preissegment. Zwar kostet der Kindle Paperwhite inzwischen nur noch 99 Euro, allerdings wurde auch der Preis des Tolino Shine gesenkt. Ab 60 Euro kann man den eReader der Tolino-Allianz mit diversen Gutscheinaktionen bekommen. Üblicherweise werden aber rund 90 Euro fällig.

Fest steht jedenfalls, dass der Paperwhite für nur 99 Euro (statt ursprünglich 129 Euro) ein echtes Schnäppchen ist. Obwohl das Gerät schon über ein Jahr am Markt ist, gehört es weiterhin zu den besten 6 Zöllern (und führt unsere Wertungsliste daher auch an). Die gut funktionierenden Softwarefunktionen in Kombination mit dem hervorragenden Display machen das Gerät zu einem Selbstläufer.

Mit den jüngsten Preisaktionen ist aber auch der Tolino Shine weiterhin eine gute Wahl. Beim mittlerweile regulären Preis von ca. 90 Euro kann das Gerät in Hinblick auf das Preis-Leistungs-Verhältnis zwar nicht mit dem Kindle mithalten, wenn man allerdings die diversen Gutschein- und Bündelaktionen beachtet, dann ist auch der Shine-Kauf eine gute Sache.

Fazit

Wie schon im vergangenen Jahr treten die beiden eBook Reader auch heuer wieder gegeneinander an. Dieses Jahr hat Amazon mit dem Kampfpreis von 99 Euro für den Paperwhite aber vermutlich die besseren Karten, denn der eBook Reader kann in vielen wichtigen Bereichen überzeugen und liegt unter der magischen 100 Euro Grenze, die dem Tolino Shine im letzten Jahr Flügel verliehen haben. Letztendlich gewinnt der Paperwhite den direkten Vergleich daher auch.

Der Tolino Shine ist günstiger, der Kindle Paperwhite unterm Strich trotz des geschlossenen Ökosystems das bessere Gerät

Das macht den Shine aber keineswegs zu einem schlechten Gerät: Der eReader erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit und kann ebenfalls mit einer einfachen und gut zugänglichen Bedienbarkeit punkten. Besonders die diversen Preisaktionen machen den Kauf des Geräts zu einer guten Wahl zum Verschenken oder zum Einstieg ins digitale Lesen (besonders wenn man sich nicht zu eng an einen Anbieter binden möchte).

Wenn der geringe Aufpreis zum Paperwhite keine Rolle spielt und man auch kein Problem damit hat seine eBooks in Zukunft bei Amazon zu erwerben, dann ist der Kindle eReader die bessere Wahl.

Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
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