Tolino Vision Color und Tolino Shine (Color): Drei neue Tolino eReader [Update]

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Lange Zeit war es ruhig um die Tolino-Allianz was deren eReader angeht, jetzt meldet sich der Amazon-Konkurrent quasi mit einem Knall zurück: Gleich drei neue Geräte haben die Tolino-Partner heute vorgestellt.

Sie bringen einige wichtige Neuerungen mit sich und die Namen verraten bereits teilweise worum es geht: Tolino Shine, Tolino Shine Color und Tolino Vision Color.

E-Ink mit Farbe (und ohne)

Drei Geräte, zwei Anzeigetechnologien und zwei Displaygrößen, so lassen sich die neuen Modelle in aller Kürze zusammenfassen. Sehen wir uns die zwei interessantesten Neuzugänge zuerst an.

Farbe mit E-Ink Kaleido 3

Wie es die Namen schon verraten, bringen Tolino Shine Color und Tolino Vision Color erstmals Farbe ins Tolino eReader Portfolio.

Als Anzeigetechnik kommt in beiden Fällen E-Ink Kaleido 3 zum Einsatz. Diese Technik kennt man inzwischen von einigen anderen Herstellern, zuletzt etwa vom PocketBook InkPad Color 3. Sie zeichnet sich ebenso wie ein normal schwarz-weißes E-Ink Display durch die reflexionsarme und problemlose Ablesbarkeit auch bei direkter Sonneneinstrahlung aus.

Tolino Vision Color mit Farb-E-Ink Kaleido 3 Display

Es handelt sich um die erste Farb-E-Ink Technik, die ich inzwischen auch gerne zum normalen Lesegenuss empfehle.

Zwei kleine Kompromisse muss man dabei allerdings trotzdem noch eingehen, über die man aber relativ einfach hinwegsehen kann: Erstens sind Kaleido 3 Displays grundsätzlich dunkler als normale schwarz-weiße E-Ink Displays. Dieser Nachteil lässt sich allerdings mit der Frontbeleuchtung sehr einfach ausgleichen.

Und zweitens ist die Farbdarstellung nicht so satt wie man das etwa vom Smartphone oder Tablet kennt. Auch hier kann man allerdings Entwarnung geben, denn ebenso schnell we man sich an die orangefarbene Darstellung des Nachtlichts beim eReader gewöhnt, ist die niedrigere Farbsättigung schnell vergessen.

Dementsprechend darf man sich über die nun vorhandene Farbe durchaus freuen, denn sie lockert das Nutzungserlebnis selbst dann auf, wenn man sie nur bei den Buchcovern hat und ansonsten eigentlich gar nicht braucht.

Wie bisher unterscheiden sich die beiden Modelle in ihrer Displaygröße: 6 Zoll beim Shine Color, 7 Zoll beim Vision Color. Beide besitzen eine 300 ppi Auflösung für schwarz-weiße Inhalte und 150 ppi für farbige Inhalte.

Dass es zwei Auflösungen gibt, hängt mit der Technik zusammen: Auf dem E-Ink Display (300 ppi) befindet sich eine zusächtliche Beschichtung mit Farb-Pixeln. Diese Beschichtung besitzt kleine rote, grüne und blaue (RGB) Subpixel und sorgt in Kombination mit dem darunter liegenden E-Ink-Bildschirm für die Farbdarstellung. Diese zusätzliche Beschichtung ist auch der Grund für das zuvor erwähnte dunklere Erscheinungsbild mit deaktivierter Beleuchtung.

E-Ink Carta 1300 als konservative Alternative

Tolino Shine mit E-Ink Carta 1300 Display

Nicht unerwähnt bleiben darf das dritte Gerät im Bunde: Der Tolino Shine 5, der jetzt offenbar schlicht auf den Namen „Tolino Shine“ hört. Den Generationenzusatz findet man im Pressematerial nur noch als Fußnote.

Ob das Weglassen der Nummer nicht für mehr Verwirrung als Klarheit sorgt, lasse ich an dieser Stelle dahingestellt und euch entscheiden, klar ist allerdings dass damit jedenfalls weiterhin eine Alternative für digitale Leseratten vorhanden ist, die keine Kompromisse bei der Ablesbarkeit (siehe oben) eingehen möchten und auch keine Farbe benötigen.

Das Gerät besitzt nämlich ein E-Ink Carta 1300 Display, was die derzeit kontrastreichste E-Ink Anzeigetechnik ist. Wie groß der Unterschied zur Vorgängergeneration E-Ink Carta 1200 tatsächlich ist, muss sich allerdings noch zeigen, denn Carta 1300 kommt bisher in keinem anderen (westlichen) Gerät zum Einsatz.

Neue Software, ohne Android

Neben den großen Neuerungen an der Hardware gibt es sogar noch wesentlich größere Änderungen bei der Software: Die Tolino Modelle bekommen allesame eine neue Benutzeroberfläche spendiert.

Dass die Tolino-Partner an einer neuen Software arbeiten, war bereits bekannt. Diese ließ dann zwar länger auf sich warten als ursprünglich gedacht, nun ist sie aber endlich da.

Neue Software und neue Benutzeroberfläche, ohne Android

Details zum genauen Funktionsumfang sind zwar noch rar, allerdings wurde mir bereits bestätigt, dass diese nun nicht mehr auf Android basiert, sondern Linux nutzt. Dazu gab es vorab bereits einige Spekulationen in unserem Forum, die sich damit nun bewahrheiten.

Man darf annehmen, dass es sich um eine adaptierte Variante der (sehr guten) Kobo-Benutzeroberfläche handelt, denn dem Bildmaterial nach zu urteilen, wurde das eher nüchterne Kobo-Design durch bekannte Tolino-Icons etwas aufgefrischt.

Bei Kobo handelt es sich um den Technologiepartner von Tolino. Bereits seit einigen Jahren sind Kobo und Tolino eReader hardwaretechnisch weitestgehend ident (sogar bereits vor der Partnerschaft). Nun folgt der Angleich auch auf Softwareebene.

Was für Bastler nicht nur gute Neuigkeiten sind, da Android bei Tolino immer ein nettes Gimmick war, mit dem man die Funktionalität der Geräte erweitern konnte, wird die meisten regulären Nutzer aber wohl nicht allzu sehr kümmern. Im Gegenteil: Der Funktionsumfang wird von Haus aus größer sein als bisher und man wird wohl auch reguläre Weiterentwicklungen sehen, wenn softwareseitig nun auch Synergien mit Kobo genutzt werden können.

Mit dem Wechsel zur neuen Software und Benutzeroberfläche vollzieht Tolino auch einen Plattformwechsel, den man bereits beim Tolino Vision 6-Start angepeilt hatte. Denn bereits damals war die Rede davon, dass das Gerät die Basis für eine neue Plattform darstellt. Die sehen wir also nun endlich zum ersten Mal.

Tolino Vision Color mit Notiznehmung

Der Tolino Vision Color bringt nicht nur Farbe mit, sondern kann auch handschriftliche Notizen mit einem Stift nehmen. Dieser ist allerdings nicht im Lieferumfang enthalten, sondern muss separat gekauft werden.

Notiznehmung am Tolino Vision Color mit dem optional erhältlichen Stift

Dabei verspricht Tolino die Möglichkeit handschriftliche Notizen in eBooks und PDF-Dateien machen zu können, sowie das Befüllen von digitalen Notizbüchern zu ermöglichen. Da ich die Funktionen bereits von der Kobo-Software kenne, bin ich guter Dinge, dass diese hier ebenso gut funktionieren.

Das einzige Fragezeichen bleibt am ehesten noch bei der Verzögerung des Eingabestifts. Es handelt sich nämlich nicht um die bekannt latenzarme WACOM-Technik, sondern um einen aktiven Eingabestift. Das ist per se nicht schlecht, aber zumindest beim Kobo Elipsa 2E hat sich gezeigt, dass die Latenz doch einen Tick größer war, als man das von WACOM-Stiften gewöhnt ist. Die Frage werde ich im Testbericht beantworten, der spätestens folgt, sobald das Gerät erhältlich ist.

Solide Ausstattung, mit Hörbüchern

Am Design des Vision Color und offenbar auch bei den beiden Shines gibt es keine oder nur kleine Änderungen. Der Vision Color besitzt weiterhin ein asymmetrisch Design mit Blättertasten, die beiden Shine-Modelle kommen wie bisher ohne Blättertasten aus.

Ebenfalls interessant: Beide Shine-Modelle bringen 173 Gramm auf die Waage, was deshalb überrascht, da die Kaleido-3-Geräte anderer Hersteller üblicherweise eine Spur leichter waren als die Carta-Gegenstücke. Der Vision Color wiegt mit 200 Gramm ein kleinen Stück mehr, was in Anbetracht der größeren Displaydiagonale nicht verwunderlicht ist.

Alle drei Geräte besitzen, wie bereits von den Vorgängern gewohnt, einen eingebauten IPX8 Wasserschutz. Ebenso mit dabei ist natürlich das bereits beiläufig erwähnte Frontlicht mit Anpassung der Farbtemperatur.

Tolino Shine und Shine Color werden 16 GB Speicherplatz haben, der Vision 7 kommt mit 32 GB. Die Geräte werden von MediaTek-Chips (Color: MT8113T; Schwarz-Weiß: MT8113L) angetrieben, wobei der Vision Color 1 GB RAM Arbeitsspeicher besitzt und die beiden Shine-Modelle 512 MB RAM haben. Interessanterweise hat man sich somit dazu entschieden die Allwinner-Chips der vorigen Generation zu ersetzen, was möglicherweise auch mit deren Stromhunger zu tun hat.

Womit wir zu den Akkus kommen. Auch hier gibt es Unterschiede zwischen den Modellen: Shine und Shine Color haben 1.500 mAh große Akkus, der Vision Color besitzt 2.050 mAh. Nachdem die letzten Modelle hinsichtlich der Akkulaufzeiten nicht unbedingt geglänzt haben, traue ich mich dieses Mal nicht eine Prognose zur möglichen Laufzeit abzugeben. Diese wird maßgeblich davon abhängen, wie gut Tolino und Kobo die (neue) Software auf den neuen Chipsatz optimiert haben. Die Pressematerialen sprechen aber jedenfalls wieder von wochenlangen Akkulaufzeiten.

Neu ist bei allen drei Geräten die Höchbuchunterstützung. Die Wiedergabe findet dabei über passende Bluetooth-Kopfhörer oder -Lautsprecher statt. Fun fact: Bereits die vorige Tolino-Generation hatte teilweise Bluetooth, allerdings softwareseitig in der Tolino-Benutzeroberfläche bisher keine Möglichkeit dieses zu nutzen.

Update: Neue Tolino und die Onleihe

Zwar wurde die Unterstützung für öffentliche Bibliotheken bereits im Datenblatt erwähnt, allerdings war die genaue Umsetzung noch nicht bekannt. Auf Rückfrage bei Tolino wurde mir nun aber  bestätigt, dass LCP-DRM weiterhin unterstützt wird. Das bedeutet, dass auch die Onleihe mit den neuen Modellen weiterhin funktioniert.

Meine Vermutung: Es klappt nun sogar besser als zuvor, weil das Neue-Tolino-Beta-Leseerlebnis wegfällt. Wie das im Detail aussieht, wird der Test zeigen.

Vielleser können mit der Bestätigung damit aber beruhigt sein, auch mit den neuen Tolinos weiterhin in der örtlichen Bücherei eBooks ausleihen zu können.

Update: Neue Benutzeroberfläche auf alten Tolinos

Neben der DRM-Thematik wurde mir ebenso bestätigt, dass auch ältere Tolino-Modelle die neue Benutzeroberfläche bekommen sollen. Dazu gibt es allerdings noch viele offene Fragen: Der Zeitpunkt ist ebenso noch offen wie die Geräteliste und die genaue Umsetzung.

Hier heißt es also noch Geduld zu haben, bis alle Details kommuniziert werden. Ich vermute, dass wir nach dem Vision-Color-Start im Juni hierzu weitere Informationen erhalten werden.

Verfügbarkeit und Preise

Die neuen eReader werden gestaffelt auf den Markt kommen: Tolino Shine und Shine Color werden ab 7. Mai 2024 erhältlich sein. Die Preise nennt Tolino im Pressematerial zwar noch nicht, man darf aber annehmen, dass diese nicht weit weg von den Kobo-Gerätenpreisen liegen werden. Ich tippe auf:

  • Tolino Shine: ~140 Euro
  • Tolino Shine Color: ~170 Euro

Der Tolino Vision Color wird ab Juni 2024 verfügbar sein. Hierbei fehlt neben dem Preis auch noch der genaue Launch-Tag. Beim Vision Color tippe ich auf eine merkliche Preissteigerung gegenüber dem Vision 6 auf rund 230 Euro.

Update: Die Preise sind nun mit dem Marktstart bekannt und fallen allesamt etwas niedriger aus als gedacht:

  • Tolino Shine: 119 Euro
  • Tolino Shine Color: 149 Euro
  • Tolino Vision Color: 199 Euro

Lediglich der separat erhältliche Eingabestift („Tolino Stylus“) für den Vision Color ist mit 69 Euro unerwartet teuer.

Testberichte zu allen Geräten folgen auf ALLESebook.de spätestens sobald die Geräte verfügbar sind.

Einschätzung und Ausblick

Lange war es sehr ruhig um die Tolino-Partner. Zu lange, um genau zu sein. Umso erfreulicher ist es aus Kundensicht nun, dass sich die Buchhandelsallianz mit einem sehr deutlichen Signal zurückmeldet.

Man stellt nicht „einfach nur“ eine neue Generation an eReadern vor, sondern läutet auch endlich den lange erwarteten Start der neuen Plattform ein, die man bereits vor bald 3 Jahren geteasert hatte. Damit adressiert man höchstwahrscheinlich auch einige Punkte der Vergangenheit, bezüglich Softwarestabilität und Funktionsumfang. In wie weit, werden die Tests zeigen.

Tolino Shine Color setzt Amazon unter Druck

Mindestens ebenso wichtig in dem Zusammenhang ist allerdings die Bewegung am eReader-Markt als Ganzes. Als ich zum ersten Mal ein E-Ink Kaleido 3 Gerät genutzt habe, war ich schnell überzeugt, dass die Technik auch im Mainstream ankommen wird. Die Nachteile der Vorgängergenerationen wurden wesentlich verbessert, sodass man darauf auch komfortabel lesen konnte.

PocketBook als Pionier und Innovator hat(te) bereits einige Farb-Modelle am Markt, der Start von Tolino (bzw. Kobo) ist allerdings nochmal ein nicht zu unterschätzender Schritt für den Markt. Denn es handelt sich bei Kobo und Tolino um die wichtigsten internationalen Kindle-Konkurrenten.

Daher gehe ich davon aus, dass Amazons Antwort auf die immer weiter wachsende Anzahl an Farb-E-Ink Konkurrenzprodukten nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt. Und damit kommt so viel Bewegung in den eReading-Markt wie schon seit beinahe 10 Jahren nicht mehr.

Die bisherigen Gehversuche von Farb-E-Ink sind wegen der oft sehr kompromissbehafteten Umsetzung gescheitert. Kaleido 3 hat das Ruder nun herumgerissen und ist die erste Generation die den Sprung in den Mainstream schafft.

Es wird allerdings mit Sicherheit nicht die letzte Generation sein. Probleme in der Fertigung haben E-Ink Gallery 3 (eine andere Farb-E-Ink Technik) bisher vom Marktstart abgehalten, aber mit dieser Technik haben wir beim E-Ink Tablet „Galy“ des chinesischen Herstellers Bigme, bereits einen Vorgeschmack darauf bekommen, was uns in den kommenden Jahren noch erwarten wird. Dabei handelt es sich um eine Technik die ohne RGB-Farbschicht auskommt, sondern stattdessen CMYW-E-Ink-Farbpartikel nutzt. Das verbessert nicht nur die Ablesbarkeit ohne Beleuchtung, sondern ermöglicht es auch mehr Farben darzustellen.

So weit sind wir aber noch nicht, denn E-Ink Gallery 3 hat noch mit ein paar Problemen zu kämpfen, sodass die Marktreife noch aussteht. Aktuell darf man sich als digitale Leseratte mit E-Ink Kaleido 3 aber über einen wichtigen Schritt und einen interessanten Ausblick auf das weitere Marktgeschehen freuen.

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Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
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