USA: Amazon, Kobo und Sony gegen Verpflichtung zum Bau barrierefreier eBook Reader

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Wie Teleread berichtet, haben sich gleich drei große eBook Reader Hersteller in den USA zusammengeschlossen, um von einem Teil des Telekommunikationsgesetztes ausgenommen zu werden, welches sie dazu verpflichtet, behindertengerechte Lesegeräte zu entwickeln. Im Speziellen handelt es sich um Sektionen 716 und 717 des Communications Act und Part 14 der Commission’s Rules, welche barrierefreien Zugang zu fortschrittlichen Kommunikations-Services (Advanced Communications Services, kurz: ACS) und Gerätschaften für Menschen mit Behinderung fordern.

Die selbsternannte Coalition of E-Reader Manufacturers (dt.: Vereinigung von E-Reader Herstellern), führt als zentrale Argumentation an, dass eBook Reader genauso wenig barrierefrei sind, wie gedruckte Bücher und außerdem sowieso keine fortschrittlichen Geräte im Sinne der ACS sind. Auch (oder sogar?) die Öffentlichkeit weiß um die Unterschiede von Tablets und eBook Readern Bescheid. Würde man eBook Reader nach den ACS-Vorschriften bauen, wären fundamentale Änderungen nötig, welche Kosten, Form, Benutzeroberfläche und Akkulaufzeit negativ beeinflussen und eReader mehr in Richtung Tablets rücken würden. Außerdem hätten diese Veränderungen sowieso keinen sinnvollen Nutzen für Menschen mit Behinderungen.

Pro und Contra

Soweit die Argumentation der drei Hersteller. In der Petition wird dann auch noch ausführlich darauf eingegangen, warum eBook Reader überhaupt nicht unter die ACS-Geräteklasse fallen. Und ich tendiere da durchaus zuzustimmen. Bei eBook Readern handelt es sich ja wirklich nicht um fortschrittliche Kommunikationsgeräte. Die Drahtlosverbindung dient letztendlich nur dem Zweck eBooks herunterladen zu können und ggf. die Übersetzungsfunktion zu nutzen. Ein Vergleich zu einem Tablet erübrigt sich in Hinblick auf die teils sehr unterschiedlichen Hardware- und Softwarespezifikationen schon fast.

Aber: Nur weil eBook Reader nicht unbedingt unter diese Regulung fallen, heißt das nicht, dass barrierefreie eBook Reader nicht erstrebenswert wären. Im Gegenteil. Die digitalen Lesegeräte mit eInk Display wären ja eigentlich zur Nutzung für sehbehinderte Personen prädestiniert. Die mögliche variable Schriftgröße in eBooks ist ein deutlicher Pluspunkt gegenüber einem auf Papier gedruckten Text. Auch eine Text-To-Speech-Funktion, wie sie bei einigen Geräten vorhanden ist, ist ein klarer Mehrwert.

Das Problem besteht allerdings in der Bedienbarkeit der Geräte. Die Menüs bei eBook Readern sind häufig nicht größenskalierbar und damit für Menschen mit Sehbehinderungen kaum bedienbar.

Es mutet merkwürdig an, dass gerade Amazon ein Teil dieser Koalition ist, denn vor einem Jahr lief noch ein Deal mit dem US-Außenministerium, dass Kindle Touch eBook Reader in US-Bildungseinrichtungen rund um den Globus zum Einsatz kommen sollten. Das Geschäft, welches Amazon ca. 13,4 Millionen US-Dollar eingebracht hätte, ist dann letztendlich am Widerstand des US-Blindenverbands gescheitert, welche die fehlende Barrierefreiheit des Geräts bemängelt haben. Anstatt also nachzubessern, hat sich Amazon dazu entschlossen den anderen Weg zu gehen. Schade.

Lage nicht aussichtslos

Dass allerdings nicht alle Hersteller gegen solche Veränderungen sind, zeigt das Beispiel PocketBook. Während Sony und Amazon von der Audioausgabe bzw. der Text-To-Speech-Funktion Abstand genommen haben und keinerlei Tonausgabe bei den aktuellen eBook Readern mehr anbieten, kann man beim PocketBook Touch Lux auch weiterhin – sogar auf eine verbesserte – Sprachfunktion zurückgreifen. Ein Blick auf die PocketBook Reader App für Android zeigt dann möglicherweise auch den zukünftigen Weg des Unternehmens, denn die App erlaubt auch eine Größenanpassung der Bedienelemente. Unklar ist allerdings, ob diese Funktion auch irgendwann bei den eBook Readern des Unternehmens Einzug halten wird.

Völlig aussichtlos ist aber auch die Lage für Sony-, Kobo- und Amazon-Fans nicht, denn die FCC könnte lediglich einen Aufschub gewähren, womit die Unternehmen in Zukunft dennoch verpflichtet wären barrierefreie eBook Reader herzustellen. Das wäre nicht das erste Mal, denn schon andere Unternehmen haben bis Oktober 2015 einen solchen Aufschub bekommen.

Der Zeitrahmen bis 2015 wäre vermutlich auch groß genug, um einen natürlichen Wechsel zur Barrierefreiheit zu vollziehen, welcher durch leistungsfähigere Hardware und schnellere Displays einfacher und ohne allzu großen Aufwand möglich wäre. Ob das dann allerdings auch wirklich geschieht, oder die Hersteller sich dem Preiskampf hingeben und möglichst kostengünstige Geräte ohne Rücksicht auf Barrierefreiheit produzieren, steht dann aber wieder auf einem anderen Blatt.

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Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
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