Was wird das eReading-Jahr 2015 bringen?

Geschätzte Lesezeit: 7:21 min.

Gute zwei Wochen ist das Jahr 2015 alt und die erste Elektronikmesse (CES) ging auch schon zu Ende. Der richtige Zeitpunkt, um einen Blick in die Zukunft zu wagen.

Was wird das aktuelle Jahr für den digitalen Lesemarkt bringen? Kann man neue Techniken erwarten? Welche eReader kommen und gehen? Welche Entwicklungen sind für den deutschen Digitalmarkt zu erwarten?

Eine Sache war auf der CES 2015 heuer besonders auffällig: Das Fehlen besonderer Highlights im mobilen Computer-Bereich – sprich Smartphones, Tablets und natürlich auch eReader. Dedizierte Lesegeräte haben auf der CES zwar ohnehin keinen besonders hohen Stellenwert – insbesondere seitdem es am US-Markt für die Amazon-Konkurrenz nur noch geringes Wachstumspotential gibt – aber immerhin werden üblicherweise zumindest interessante Displaytechnologien vor- oder ausgestellt.

Dieses Jahr musste man darauf verzichten. Weder E Ink noch Qualcomm (Mirasol) oder irgendein anderes Unternehmen hat eine entsprechende Stromspardisplaytechnik mitgebracht. Die E Ink Holdings ließ lediglich mit einer „dynamischen“ Wand mit dem Namen Prism aufhören, was wieder unterstreicht, dass das Unternehmen weiterhin auf der Suche nach alternativen Anwendungsgebieten und Einkommensquellen für die elektrophoretischen Displays ist.

Bleibt 2015 ohne Technik-Überraschungen?

Besondere neue Mobilanwendungen gab’s somit nicht, was wiederum durchaus Rückschlüsse darauf zulässt, was man in den nächsten Monaten am eBook Reader Markt erwarten kann. Vermutlich wird es heuer keine besonderen Änderungen an den Line-Ups der verschiedenen Hersteller geben – zumindest nicht in technischer Hinsicht. Alles, was vorgestellt werden wird, gab’s dann vermutlich schon mal woanders. E-Ink Carta wird weiter an Marktanteilen gewinnen, während die Pearl-Technik etwas unwichtiger werden dürfte.

Offen bleibt, ob Amazon die Liquavista-Technik heuer auf den Markt bringen wird. Vor zwei Jahren hat Amazon den Displayspezialisten übernommen, allerdings ohne weiteren Kommentar, wann und in welcher Form man mit der Anwendung der entwickelten Displaytechnologie rechnen darf.

Neue Displaytechnologien sind rar. Die im Bild gezeigte Mirasoltechnik von Qualcomm kämpft seit Jahren um den Markteintritt und kam bisher nur in zwei Endverbraucherprodukten zum Einsatz

Ebenso unspektakulär präsentierten sich die (wenigen) Neuvorstellungen im Tablet-Bereich. Während es vor zwei Jahren einen regelrechten Boom der Flachcomputer auf der CES 2013 gab, sah das im darauffolgenden Jahr schon ein wenig anders aus und heuer hat sich die Entwicklung weiter fortgesetzt. Tablets sind „fertig“ entwickelt. Entwicklungssprünge bei Displayauflösung und Gehäusegröße (bzw. -tiefe) sind nicht mehr zu erwarten und selbst die aktuell über ein Jahr alten Chipsätze sind mehr als ausreichend schnell für aktuelle Spiele und anspruchsvolle Apps. Dieser Umstand spiegelt sich auch in der Marktentwicklung wider. Verschiedene Analysten haben dem Tablet-Markt bereits eine besonders abrupte Abkühlungsphase prophezeit, was sich dann letztendlich an den gesunkenen Verkaufszahlen, der Apple iPads auch bestätigt hat.

Flatrates im Kommen oder im Gehen?

Auf Seite der Hardware wird sich heuer dem ersten Anschein nach also nicht viel tun. Wie sieht es auf Content-Seite aus?

In den USA von verschiedenen Anbietern schon länger im Angebot, ist auch Amazon 2014 in den eBook-Flatrate-Markt eingestiegen. Kindle Unlimited sollte das digitale Buchangebot des Versandriesen komplementieren. Offen bleibt, wie es um den Erfolg der eBook-Flatrate bestellt ist. Einerseits setzt sich das Buchangebot fast nur aus unabhängigen Autoren zusammen und beinhaltet bis auf wenige Ausnahmen keine bekannten Verlagstitel, andererseits äußern viele Indie-Autoren schon ihren Unmut über gesunkene Verkaufszahlen und eine zu niedrige Vergütung der verliehenen eBooks. Unterm Strich verdienen zumindest einige Autoren laut eigener Aussage mit dem Flatrate-Programm (deutlich) weniger als zuvor.

Zur Freude der Kunden hat Amazon die eBook-Flaterate in den USA im eReader-Bundle verkauft – nun muss der Versandriese daran arbeiten auch die Autoren zufriedenzustellen

Sollte das auf die Mehrzahl der Selfpublisher zutreffen, muss Amazon tätig werden und das Geschäftsmodell überarbeiten, andernfalls könnten die beliebtesten und erfolgreichsten Indie-Autoren bald aus dem Verleihprogramm aussteigen, womit die Attraktivität weiter abnehmen würde.

Wie entwickelt sich der eBook Markt?

Schwer abschätzbar bleibt die weitere Entwicklung des deutschen Digitalmarktes. In der Vergangenheit wurde den eBooks ein rasantes Wachstum bis zum Jahr 2020 prognostiziert, das sich allerdings schon im vergangenen Jahr deutlich abgeschwächt hat.

Das macht sich auch an den Verkaufszahlen der dedizierten Lesegeräte bemerkbar. Der Umstand des schwächeren Wachstums beim Verkauf der eReader wird als Indiz dafür gewertet, dass einerseits das eBook-Wachstum zum Erliegen kommt, andererseits die Tablet-PCs ein großes Stück vom digitalen Lesemarkt für sich beanspruchen. Wie bereits erwähnt, schwächeln aber auch die Tablet-Absätze, sodass diese Vermutung wohl nur teilweise zutreffen dürfte.

Gleichzeitig muss man aber auch festhalten, dass das Wachstum zwar gebremst wurde, die absolute Stückzahl an verkauften eBook Readern 2014 aber trotzdem höher lag als in jedem vorangegangenen Jahr. Für Vielleser gibt’s weiterhin keine Alternativen zum handlichen und jederzeit gut ablesbaren E-Ink Lesegerät.

Sofern sich die Vorhersage des weiter abflachenden Wachstums beim eBook-Reader-Verkauf 2015 oder 2016 tatsächlich abzeichnet, stehen die Chancen auch gut, dass die Anteile am deutschen eBook-Markt sich nur noch langsam verändern werden. Noch langsamer als ohnehin schon. Vor einigen Wochen habe ich bereits einen Blick auf die Marktentwicklung geworfen, nachdem die Tolino-Partner verkündeten, dass sie Amazon überholt hätten. Tatsächlich offenbart der Blick ins Jahr 2012 allerdings, dass sich die Marktanteile trotz Tolino-Markteinstieg seitdem scheinbar kaum verschoben haben. Ein wichtiger Grund hierfür dürfte sein, dass die Bestandskunden zum Großteil einfach zum Lesegerät des jeweiligen Anbieters greifen und besonders der Anbieterwechsel von Kindle-Kunden wohl nur selten stattfindet.

Und bei den einzelnen Herstellern?

Zum Abschluss packen wir noch die Glaskugel aus und überlegen, was die einzelnen Anbieter heuer auf den Markt bringen könnten.

Bei Amazon rechne ich mit keinen besonderen Änderungen des Geräte-Lineups. Der Basis-Kindle wird unverändert im Programm bleiben, ebenso wie der Bestseller Kindle Paperwhite. Der Kindle Voyage wird wohl neu aufgelegt werden, inkl. Behebung der Probleme, die dem Gerät den Start im vergangenen Weihnachtsgeschäft erschwert haben. Ob ein Gerät mit Liquavista Display erscheinen wird, steht weiterhin in den Sternen. Wenn ja, dann wäre es auch möglich, dass dies im Tablet-Lineup geschieht.

Der Voyage kämpft aktuell mit Qualitätsproblemen, spätestens mit der nächsten Generation darf man damit rechnen, dass diese Behoben sind

Seit dem Start des Tolino-Angebots gab’s alle sechs Monate eine Geräteneuvorstellung. Man darf gespannt sein, ob der Rhythmus beibehalten wird. Es ist denkbar, dass der Tolino Shine einen Nachfolger spendiert bekommt. Das wird wohl auch von der angedachten Preispolitik abhängen, denn während der Shine dank älterer Hardware (vermutlich) ohne Verluste deutlich im Preis gesenkt werden konnte (von ursprünglich 99 Euro auf 77 Euro), sah die Sache beim Vision 2 wohl anders aus. Der Marktstart des wassergeschützten eReaders wurde durch die Preisreduktion des Paperwhite gestört, was man wahrscheinlich nicht wieder geschehen lassen will. Man darf außerdem gespannt sein, ob die Software noch weiterentwickelt wird, denn vom ursprünglichen Versprechen der laufenden Firmwareupdates ist letztendlich nicht allzu viel übrig geblieben und im Vergleich zu Amazon, Kobo und PocketBook hat die Tolino-Software noch immer den geringsten Umfang. Vorstellung: September/Oktober

Der Vision 2 macht im Test eine sehr gute Figur, der Softwareumfang darf aber gerne noch erweitert werden

Kobo hat mit dem Aura H2O zweifellos einen Volltreffer gelandet und die Chancen stehen daher gut, dass der eBook Reader auch im Weihnachtsgeschäft 2015 wieder als Zugpferd dienen wird. Denkbar ist allerdings, dass man einen neuen 6 Zöller auf den Markt bringt – mit E-Ink Carta Display und etwas günstiger als der H2O. Vorstellung: September

Der Aura H2O ist eine der gelungensten Neuvorstellungen des letzten Jahres

PocketBook hat in den vergangenen 18 Monaten mit seiner Modelloffensive überrascht. Das Unternehmen hat das umfangreichste eBook Reader Sortiment und mauserte sich in Deutschland vom Underdog zum starken Mitbewerber. Insbesondere das Angebot der beiden Regionalfilialsten Mayersche und Osiander haben PocketBook Aufwind verliehen. Fraglich ist, ob man die Modelloffensive weiterhin aufrechterhalten wird, denn insbesondere die letzten Neuvorstellungen (Ultra und InkPad) waren zum Start von einigen Problemen verfolgt. Der PocketBook Sense wird wohl das wichtigste Gerät des heurigen Jahres und wird den Touch Lux 2 ablösen. Vorstellungen: März/April-September

Der Sense wird im Jahr 2015 wohl als Zugpferd PocketBooks dienen

Kleinere Anbieter am deutschen Markt, wie Onyx oder Icarus werden eventuell auch mit E-Ink Carta Geräten auf den Markt kommen – inkl. Android im Gepäck, wie das schon bei den letzten Neuvorstellungen der Fall war. Wichtiger wäre allerdings, dass die Kinderkrankheiten der diversen Android-Geräte ausgebessert werden, dann würden Sie sich perfekt als Skoobe-Lesegerät eignen.

Unterm Strich könnte die Dynamik, die im Jahr 2014 entstanden ist, heuer ein wenig abflachen.

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Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
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