Neue Amazon Fire Tablets läuten Richtungswechsel ein: Billig statt High-End

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Es war keine Überraschung als Amazon gestern vier neue Fire Tablets vorgestellt hat. Bereits seit Wochen kursierten Gerüchte, wonach der Versandhändler neben anderen Neuvorstellungen auch ein besonders günstiges Gerät ins Rennen schicken will. Nun war es so weit und der Marktstart der neuen Modelle markiert auch gleichzeitig einen drastischen Richtungswechsel Amazons.

Die vier vorgestellten Geräte hören auf die Namen Fire (7 Zoll), Fire Kids Edition, Fire HD 8 und Fire HD 10. Was auf den ersten Blick nach einem normalen Generationenwechsel aussieht, entpuppt sich im zweiten Moment als eine Neuauflage unter völlig neuen Vorzeichen.

In den vergangenen zwei Jahren hatte Amazon mit der HDX-Serie besonders das Premium-Segment forciert. Die Tabletreihe zeichnet sich durch High-End-Hardware aus, von Qualcomm Snapdragon 805 SoCs, über 2560×1600 Pixel LCD-IPS Displays und 4G-Verbindung bis hin zur 8 Megapixel Kamera und Dual-Dolby-Stereo-Sound war alles dabei.  Dementsprechend teuer ist das Top-Modell Fire HDX 8.9 allerdings auch: In der besten Ausführung ohne Werbung muss man knapp 600 Euro auf die virtuelle Ladentheke legen.

Das sind aber immerhin 100 Euro weniger als ein vergleichbar ausgestattetes Apple iPad Air 2. Das größte Problem mit diesen High-End-Modellen ist, dass man mit solchen Spezfikationen in erster Linie Technikfans anspricht, diese aber im Regelfall nicht gerne zu einem allzu stark eingeschränkten Betriebssystem greifen. Abseits von Apple kann sich eine solche Strategie bisher kein anderes Unternehmen leisten. Dementsprechend holprig lief lange Zeit auch das Windows Phone Segment von Microsoft, das im Gegensatz zum Vorgänger Windows Mobile stark eingeschränkt wurde. Irgendwann änderte auch Microsoft die Strategie und setzte verstärkt auf günstige Smartphones zum billigen Einstieg in die mobile Windows-Welt.

Denn auch wenn die Fire-Tablets auf Android basieren, die Bedienoberfläche ist stark verändert, sodass viele Funktionen umgebaut wurden oder sogar ganz fehlen. Amazon hat die Geräte voll und ganz auf das eigene Ökosystem ausgerichtet.

Neue Ausrichtung, andere Technik

Zumindest einige dieser Dinge ändern sich nun mit der neuen Fire HD Serie. Zunächst fokusiert Amazon die ganze Aufmerksamkeit mit der neuen Modellreihe auf ein günstigeres Preissegment. Den Premium-Anspruch den der Versandriese mit der HDX-Serie gestellt hat, fehlt hier völlig. Es bleibt zudem auch fraglich, ob Amazon die HDX Tablets erneuern wird, denn aus der Homepage-Übersicht sind die Geräte rausgeflogen (aber über die Suche weiterhin auffindbar und erhältlich).

Die neuen Fire HD Geräte sind technisch deutlich schlechter ausgestattet und näher am Durchschnitt vieler preisgünstiger Mitbewerber. In anderen Worten: Das Fire (7 Zoll) kostet mit Spezialangeboten (lies: Werbung) nur 60 Euro, das HD 8 ab 160 Euro und das HD 10 ab 200 Euro.

Insbesondere der 7 Zöller ist mit dem besonders niedrigen Einstiegspreis zunächst sehr attraktiv. Wenn man allerdings einen Blick auf die technischen Daten wirft, dann wird auch schnell klar, wie Amazon diesen niedrigen Preispunkt erreicht: Der Bildschirm des Geräts löst mit nur 1024×600 Pixel niedriger auf als bei den meisten 6 Zoll eReadern, woraus sich eine Pixeldichte von 171 ppi ergibt. Die CPU stammt offensichtlich nicht mehr von Qualcomm, sondern von einem anderen Chiphersteller (Mediatek, Rockchip, etc.). Mit diesen beiden Änderungen wurde am meisten Geld eingespart.

Fairerweise muss man aber natürlich sagen, dass man zum sensationell niedrigen Preis von 60 Euro auch nicht mehr erwarten darf. Für den günstigen Einstieg in die Tablet-Welt sind die Spezfikationen mehr als ausreichend gut, denn die CPU hat vier Kerne und läuft mit 1,3 GHz. Der Arbeitsspeicher ist mit 1 GB RAM ebenfalls groß genug und das Display nutzt IPS-Technik, wodurch die Betrachtungswinkel hoch sein dürften, sodass das Bedienerlebnis unterm Strich ganz gut sein sollte. Im Praxistest wird sich allerdings noch zeigen müssen, wie stark der Kristall- bzw. Glitzereffekt des IPS-Panels ausgeprägt ist, denn beim alten Fire HD 7 war dieser doch recht deutlich wahrnehmbar.

Auch wenn Amazon nicht überall gespart hat (IPS-Technik, Gorilla-Glas, MicroSD-Einschub), diese Dinge können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Amazon mit der neuen Billigpreisschiene ein anderes Klientel anspricht als die Jahre zuvor, denn auch die beiden größeren HD-Modelle präsentieren sich ähnlich. Die zwei Geräte besitzen eine höhere Auflösung von 1280×800 Pixel, was beim 8 Zoll Tablet passable 189 ppi ergibt, beim 10 Zoll Gerät allerdings nur noch 149 ppi entspricht. Die Quad-Core-CPUs laufen hier mit bis zu 1,5 GHz, wobei Amazon den Chip-Hersteller Mediatek in beiden Fällen namentlich nennt. Der Arbeitsspeicher ist ebenfalls 1 GB groß. Weitere Unterschiede zum regulären Fire-Gerät (7 Zoll) sind der Dolby Stereo Sound und Dualband-WLan (Einzelantenne).

Eine 180 Grad Wendung macht Amazon mit der nun inkludierten Speicherkartenerweiterung bei allen neuen Fire-Modellen. Seit dem Kindle 2 eBook Reader hat Amazon konsequent auf eine externe Erweiterungsmöglichkeit bei den eigenen Geräten verzichtet, sodass die nun erfolgte Öffnung auch als Zugeständnis an den großen Konkurrenzdruck anzusehen ist. Ein Umdenken könnte hier insbesondere der Flop des Fire Phones ausgelöst haben, das oftmals wegen des hohen Preises und der stark eingeschränkten (Android-)Nutzbarkeit kritisiert wurde.

Auch der veränderte Homescreen (Fire OS 5 „Bellini“), der nun dem von iOS und diversen Android Launchern deutlich stärker ähnelt als noch in der vorigen Firmwareversion, darf nicht unerwähnt bleiben, und zeigt, dass Amazon die Strategie geändert hat.

Amazon Underground als Verkaufsargument

Aber die Firma wäre nicht da wo sie ist, wenn Amazon nicht noch ein Ass im Ärmel hätte. Das nennt sich in diesem Fall Amazon Underground und ist bereits seit einigen Wochen am Start.

Dahinter verbirgt sich ein Angebot mit dem ansonsten kostenpflichtige Apps gratis genutzt werden können. Auch In-App-Käufe werden von Amazon übernommen. Zum Start waren über 450 Titel im Angebot, mittlerweile sind es über 950 Applikationen. Für Nutzer der Geräte ist das ein durchaus attraktives Angebot (das allerdings auch auf anderen Android-Tablets verfügbar ist).

Amazon bezahlt die teilnehmenden App-Entwickler nach Nutzungszeit der Programme. Pro Minute werden aktuell 0,18 Cent ausbezahlt, was bei einer täglichen Nutzung von einer halben Stunde in einem Monat 81 Cent ergibt. Klingt erstmal nicht nach viel, kann sich aber bei einer entsprechend großen Anzahl an laufenden Nutzern besonders für Spieleentwickler auf lange Sicht durchaus bezahlt machen. Dementsprechend wird das Underground-Sortiment auch von Spielen dominiert.

Der größte Nachteil an der Sache ist aber das Auslesen der Nutzungsstatistiken. Für jede Underground-Apps wird die Nutzung überwacht, sodass Amazon genau weiß welches Programm wann, wie oft und wie lange genutzt wird. So lassen sich nicht nur die App-Entwickler bezahlen, sondern ohne Zweifel auch noch umfangreichere Konsumentenprofile anfertigen. Während viele Personen damit wohl kein Problem haben, erfreut dieser Umstand andere sicherlich weniger.

Beliebt in den ersten Tagen, und dann?

Den Preis des günstigen Fire-Modells scheint Amazon gut getroffen zu haben, denn innerhalb weniger Tage nach der Vorstellung befindet sich das Tablet bereits auf den ersten beiden Plätzen (mit und ohne Werbung) der Tablet-Charts auf Amazon.de. Direkt danach folgt der 10 Zöller auf den Rängen 3 und 4 (als 16 und 32 GB Variante mit Werbung).

Während man mit dem Fire Phone ganz offensichtlich nicht annhähernd den richtigen Preis gefunden hat, scheint das auf den ersten Blick mit den neuen Fire-Modellen gut gelungen zu sein. Jedenfalls gut genug, damit der Start besser verläuft als der des glücklosen Smartphones.

Die Frage ist: Handelt es sich bei dem Erfolg nur um einen Einmaleffekt, oder kann der Versandriese die Verkaufszahlen auch nach der Erstauslieferung (30. September),  während des Weihnachtsgeschäfts und darüber hinaus hoch halten. Amazon ist sich seiner Sache offenbar sehr sicher, denn das günstigste Modell wird auch im „Six-Pack“ angeboten: Kauft man fünf Fire-Tablets, bekommt man das sechste gratis dazu. Damit fällt der Preis eines Geräts auf effektiv 50 Euro.

Man wird sehen, ob und wie viele Kunden dieses Multipack-Angebot wahrnehmen. Ich persönlich kann mir aber ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass dies besonders großen Anklang findet. Aber man weiß ja nie.

Was die generelle Preisgestaltung angeht, so ist festzuhalten, dass die HD-Tablets zwar preisgünstig sind, aber jedenfalls keine echten Schnäppchen. Wenn man sich z.B. das Tolino Tab 8 zum Vergleich ansieht, dann ist es in vielen Bereichen klar die bessere Wahl gegenüber dem Fire HD 8 und kostet zudem auch noch weniger (aktuell 149 Euro). Das Tolino Tablet hat nicht nur einen höher aufösenden WUXGA (1920×1200 Pixel) Bildschirm (254 ppi), sondern auch ein stock-nahes Android Bedienerlebnis ohne nennenswerte Änderungen, sodass man freien Zugang zum Google Playstore und allen sonstigen Google-Diensten hat. Ähnlich verhält sich die Lage beim Fire HD 10, denn auch hier gibt’s technisch vergleichbare offene Android-Alternativen für weniger Geld.

Zum Abschluss noch eine andere Sache: Amazon hat neben den Tablets auch zwei neue Fire TV Geräte vorgestellt. Was der Versandriese allerdings schuldig geblieben ist, ist ein neuer Kindle eReader. Aktuell darf man weiterhin davon ausgehen, dass es in den kommenden Wochen eine Neuauflage des Voyage geben wird, denn zum aktuellen Zeitpunkt hat es der Premium-eReader ohne Hardware- oder Preisanpassung gegen die günstigere 300 ppi Konkurrenz (Kindle Paperwhite und Kobo Glo HD) eher schwer. Zudem wird zur Frankfurter Buchmesse auch der Tolino Vision 3 HD vorgestellt, der wohl ebenfalls nicht mehr als 150 Euro kosten wird.

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Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
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