Rakuten Kobo steigt bei Tolino ein, Kartellamt genehmigt

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Hinweis: In einer älteren Version des Artikel stand, dass Rakuten Kobo die Tolino-Marke übernehmen wollte. Richtig ist allerdings, dass die Tolino-Anteile, die die Deutsche Telekom hielt, übernommen wurden. Dementsprechend ist Rakuten Kobo neben Thalia, Weltbild, Hugendubel und Libri ein weiterer Partner innerhalb der Tolino-Allianz und zeichnet sich u.a. für die technische Umsetzung verantwortlich.

Update vom 21. Januar 2017: Nachdem die unten detaillierte Übernahme der Tolino-Technologiepartnerschaft Anfang Januar 2017 beim Bundeskartellamt angemeldet wurde, kam gestern die positive Bestätigung für den Deal: Rakuten darf die Telekomanteile übernehmen.

Der Präsident des Bundeskartellamtes kommentiert die Lage wie folgt: „Die Plattform tolino hat im E-Book Markt in Deutschland neben dem Marktführer Amazon eine wichtige Marktposition. Der Erwerb durch Rakuten bringt aber keine wettbewerblichen Probleme mit sich. Rakuten ist zwar global ein wichtiger Player, im E-Book-Bereich in Deutschland ist das Unternehmen aber bislang ein eher kleinerer Wettbewerber.“

Insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 verlor Kobo hierzulande immer mehr an Boden. Spätestens mit der Einstellung des 300 ppi Kobo Glo HD ohne adäquaten Nachfolger wurde klar, dass der kanadische eReader-Spezialist aus dem Mainstream-Segment gedrängt wurde – nicht nur in Deutschland, sondern global.

Und damit verändert sich die Marktsituation in Deutschland durch die Übernahme kaum, wie es in der Pressemeldung ebenfalls kommuniziert wird: „Die tolino E-Reader sind in Deutschland nach dem Amazon Kindle zwar die am zweithäufigsten verkauften E-Reader, diese Marktposition wird aber durch Rakuten/Kobo nur geringfügig verstärkt.“

Als Kunde darf man gespannt sein, wie die technische Partnerschaft zwischen den deutschen Buchhändlern und Rakuten Kobo funktionieren wird. Besonders was die Marktstarts neuer Modelle angeht, patze Kobo häufig. Zuletzt geschehen mit dem Kobo Aura One, der im wichtigen Weihnachgeschäft nicht lieferbar war.

Bleibt zu hoffen, dass Rakuten nicht nur die Technologiepartnerschaft übernimmt, sondern auch die Vertriebsexpertise.

Update vom 6. Januar 2017: Mittlerweile wurde der unten beschriebene Deal in einer offiziellen Pressemitteilung bestätigt. Darin wurden einige der offenen Fragen beantwortet.

Mit Ende Januar 2017 wird Rakuten Kobo der neue Technologiepartner der Tolino-Allianz werden. Diese Rolle hatte bisher die Deutsche Telekom inne. Sie war für die technische Umsetzung der Tolino eBook Reader und Cloud-Lösung zuständig.

Der Verkauf des Tolino-Anteils durch die Telekom (an Kobo) wurde laut Mitteilung von den Buchhandelspartnern Hugendubel, Thalia und Weltbild von Anfang an unterstützt.

„Leser, Buchhandel und Verlage in Deutschland werden davon profitieren, dass künftig unter der Marke tolino das Beste aus der tolino Welt und der Kobo Welt zusammengeführt wird“, heißt es seitens Weltbild. Die Tolino-Marke bleibt bestehen und laut Pressemitteilung werden die aktuellen Geräte auch weiterhin gepflegt. Für Kunden ändert sich damit (vorerst) nichts.

Im Gegensatz zur Übergabe der Sony-Kunden an Kobo bleiben die Tolino-Kunden beim jeweiligen (deutschen) Buchhändler.

Praktisch wird die eBook Reader Auswahl in Zukunft kleiner werden. Zwar wird es in Deutschland weiterhin Tolino eReader geben, allerdings wird es sich wohl nur um neu gebrandete Kobo-Geräte handeln. Aller Voraussicht nach werden die zukünftigen Tolino und Kobo Modelle damit baugleich sein und je nach Markt mit unterschiedlichen Namen angeboten.

Aus Kundensicht ändert sich technisch damit aber weniger als meinen mag, denn die Geräte kommen schon jetzt vom gleichen Hersteller: Netronix.

Unklar bleibt indes, welche Softwareänderungen es bei Kobo bzw. Tolino geben wird und welche Bedienoberfläche den Vorzug bekommt.

Originalartikel vom 2. Januar 2017: Nachdem das abgelaufene Jahr 2016 am eBook-Markt bis auf kleine Spitzen insgesamt relativ ruhig verlaufen ist, könnte es 2017 die mitunter größten Änderungen seit langem geben. Nicht unbedingt bei den Lesegeräten, sondern in der Konkurrenzdynamik zwischen Amazon Kindle und den restlichen Mitbewerbern.

Wie heute bekannt wurde, hat man am 22.12.2016 beim Bundeskartellamt ein Prüfverfahren (Aktenzeichen: B6-82/16) zur Übernahme „wesentlicher Vermögensteile“ der Deutschen Telekom eröffnet. Genauer gesagt: Rakuten (Mutterunternehmen von Kobo) möchte der Telekom die Tolino-Anteile abkaufen.

Nun hat das Kartellamt einen Monat lang Zeit, über die Sache zu entscheiden. Sofern es keine Bedenken gegen den Deal gibt, steht einer Übernahme nichts im Weg.

Tolino oder Kobo Ökosystem?

Wenn es wirklich so weit kommt, darf man als Kunde gespannt sein, wie sich insbesondere der deutsche eBook-Markt entwickeln wird.

Neben der Deutschen Telekom sind auch einige andere Unternehmen wesentlich am Erfolg der Tolino-Marke beteiligt. Tolino Media (ehemals pubbles) versorgt das Tolino-Ökosystem mit Inhalten und wird zu je 33 Prozent von Thalia und Bertelsmann und zu je einem Sechstel von Weltbild und Hugendubel gehalten.

In der praktischen Umsetzung bedeutet das für den Kunden, dass die eBook Reader unveränderlich mit dem Händlershop ausgestattet sind, bei dem es erworben wurde. Die Bibliotheken der Tolino-Partner können dank der gemeinsamen Infrastruktur aber unkompliziert miteinander verknüpft und am Lesegerät synchronisiert werden.

Dementgegen setzt Rakuten Kobo in Deutschland auf eine partnerlose Shopumsetzung. Das hat zur Folge, dass es deren eBook Reader trotz jahrelanger Deutschlandaktivitäten zu keinem Buchhändler geschafft haben und nur im Elektrofachhandel erhältlich sind. Das könnte sich damit in Zukunft ändern.

Wer dann für die eBook-Distribution zuständig ist, wird sich noch zeigen müssen. Man darf annehmen, dass sich die deutschen Buchhändler die inhaltliche Kontrolle nicht nehmen lassen möchten.

Zwei Marken, ein Name

Die Kobo-Markenumstellung geschah relativ sang- und klanglos. Dem Kobo-Logo wurde das rote Rakuten-R vorangestellt und das eBook-Geschäft wird nun von „Rakuten Kobo Inc.“ geführt.

Dass Rakuten zukünftig zwei digitale Buchmarken nebeneinander führen wird, ist unwahrscheinlich und auf lange Sicht wohl nicht besonders effizient. Kobo ist international wohl ein wenig bekannter als Tolino. Zudem wird das eBook-Geschäft durch Kobo von Kanada aus weiterhin aktiv geführt. Daher scheint es nur logisch, dass die Tolino-Marke über kurz oder lang unter dem Kobo-Dach unterkommt.

Allerdings muss man auch dazu sagen, dass Kobo trotz gutem Bekanntheitsgrad in den wichtigsten internationalen Märkten bisher keine nennenswerten Marktanteile gewinnen konnte. Der deutsche Buchhandelsverbund war da in kürzerer Zeit deutlich erfolgreicher und hat gezeigt wie man dem Hauptkonkurrenten Amazon Feuer unterm Hintern macht. Vielleicht schadet ein wenig frischer Wind mit neuem Namen und deutscher Expertise dem restlichen eBook-Geschäft Rakutens nicht …

eBook Reader weiterhin mit Android?

Für viele Bastler dürfte auch die Frage nach dem Betriebssystem der künftigen Rakuten-Kobo-Tolino eReader interessant sein. Immerhin haben sich die letzten Shine und Vision Modelle durch die hervorragende Anpassbarkeit hervorgetan und erfreuen sich bei Moddern und Bastlern Dank Root-Möglichkeit großer Beliebtheit.

Auch Kobo Geräte lassen sich eingeschränkt erweitern, können aber letztendlich nicht die gleiche Flexibilität bieten wie das mobile Google Betriebssystem.

In Sachen Benutzerfreundlichkeit geben sich Kobo und Tolino nicht allzu viel. Beide Systeme sind schnell und einfach bedienbar. Manche Dinge klappen hier besser, andere dort.

In Sachen Einstiegsfreundlichkeit und Datenschutz haben aber die Tolino-Geräte die Nase vorne, da sich diese auch ohne Zwangsregistrierung nutzen lassen. Wie das in Zukunft sein wird, bleibt offen.

Keine technischen Einschnitte

Technisch wird es keine besonderen Änderungen geben. Sowohl Rakuten als auch die deutsche Telekom lässt die eBook Reader bei Netronix fertigen (und wohl zu einem guten Teil entwickeln).

Da die Geräte sowieso schon aus dem gleichen Werk kommen, wird eine Tolino-Übernahme in Zukunft keine technischen Änderungen bringen. E-Ink Carta, blaulichtreduzierte Beleuchtungen und tolle Kontrastwerte gibt’s auch jetzt schon bei beiden Unternehmen.

Einzig das eReader-Portfolio könnte sich bei Kobo wieder ändern. Zuletzt hat sich das japanisch-kanadische Unternehmen immer stärker aus dem Mainstream-Segment zurückgezogen und den Kobo Glo HD wohl wegen des Konkurrenzdrucks durch den technisch schlechteren Kobo Aura 2 ersetzt.

Die Tolino-Partner waren hier deutlich erfolgreicher und konnten mit den verschiedenen Tolino-Shine- und -Vision Generationen auch niedrigere Preissegmente besetzen und den Kindle-Modellen Konkurrenz machen.

Geringerer Konkurrenzdruck

Obwohl es technisch keine Einschnitte geben wird, ist die potentielle Tolino-Übernahme nicht nur positiv zu bewerten. Auch wenn die allermeisten eBook-Märkte defacto zwischen Amazon und meist nur einem zweiten Anbieter aufgeteilt sind, so wird der Konkurrenzdruck durch den Wegfall eines international agierenden Unternehmens dennoch wieder ein Stück kleiner.

Damit würden am Ende nur Amazon und Rakuten als Big Player übrig bleiben. Daneben gäbe es nur noch Barnes & Noble Nook (ausschließlich in den USA) und PocketBook, sowie diverse chinesische Hersteller (Boyue und Onyx) mit diversen kleinen Resellern rund um den Globus.

Das ist aus Kundensicht insbesondere was die Preisentwicklung der Hardware angeht, alles andere als erfreulich. Bereits seit zwei Jahren zeigen die eReader-Preise bei Neuvorstellungen klar nach oben. Wenn sich zwei große Unternehmen den Markt aufteilen, dann wird sich dieser Umstand sicherlich noch weiter verschärfen.

Vorerst bleibt aber natürlich abzuwarten, welche Änderungen die Übernahme – sofern sie zustande kommt – tatsächlich bringen wird. Danach wird man die Auswirkungen in den kommenden ein bis zwei Jahren sehen und bewerten können.

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Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
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