Kobo Libra Colour: Tolino Vision Color Schwestermodell im Kurztest

Geschätzte Lesezeit: 8:00 min.

Kobo verließ zwar den deutschen Markt nach dem Einstieg als Technologiepartner bei Tolino, doch ihre eBook Reader blieben spannend.

Nun haben sich Tolino und Kobo mit der neuesten eReader-Generation softwareseitig so stark angenähert, dass sich ein kurzer Blick auf den Kobo Libra Colour lohnt. Dieser ist das Schwestermodell des Tolino Vision Color, der im Juni auf den Markt kommt.

Video-Test (Englisch)

Nachfolgend eine Zusammenfassung des Testberichts als englischsprachiges Video-Review:


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Verarbeitung und Ausstattung

Beim Auspacken des Kobo Libra Colour fällt sofort auf, wie gut er in der Hand liegt. Das asymmetrische Design des Vorgängers (und Tolino Vision 6) bleibt grundsätzlich erhalten, doch die Kanten sind nun stärker abgerundet, was das Halten nochmal ein gutes Stück angenehmer macht.

Besonders die abgerundete Seite des Griffbereichs trägt zur verbesserten Haptik bei.

Verbesserte Haptik mit dem angepassten Gehäuse

Ein kleiner Kritikpunkt bleiben die Blättertasten, deren Druckpunkte zur Innenseite hin härter werden und damit je nach Hand- und Fingerhaltung nicht immer ganz einfach drückbar sind. Dennoch sind die Tasten eine wertvolle Ergänzung, die das Benutzererlebnis verbessern.

Die physischen Tasten sind ein großer Pluspunkt

Das Gehäuse aus recyceltem Plastik erinnert ebenfalls an den Vorgänger und ist gut verarbeitet. Der Einschalt-Knopf auf der Rückseite ist praktisch positioniert und verhindert versehentliches Drücken beim Drehen des Libra Colour, der im Gegensatz zu den kleineren Geschwistern Clara B&W und Clara Colour auch einen Lagesensor besitzt.

Display

Das 7-Zoll-Display des Kobo Libra Colour nutzt E-Ink Kaleido 3-Technologie. Diese Technik funktioniert indem kleine halbtransparente rote, grüne und blaue (RGB) Subpixel auf dem schwarz-weißen E-Ink Carta Display (300 ppi Auflösung), in einer zusätzlichen Beschichtung (150 ppi Farb-Auflösung) angebracht sind und das E-Ink Display unter diesen Pixeln selektiv verdunkelt wird.

R(W)GB-Matrix von E-Ink Kaleido 3 in der Nahaufnahme und unter dem Mikroskop

Durch diese Verdunkelung reflektiert nur der freie Subpixel ungefiltert Licht, wodurch der Bildschirm an dieser Stelle mit freiem Auge farbig wirkt. Und da E-Ink auch Graustufigkeit beherrscht, können so bis zu 4.096 Farben generiert werden.

Genau genommen handelt es sich um eine R(W)GB-Matrix, denn neben Rot, Grün und Blau bleibt ein Teil der Matrix frei – also weiß. Das dient womöglich dazu eine bessere Reflektivität zu gewährleisten – oder es ist dem Herstellungsprozess geschuldet.

Comic in Farbe am Kobo Libra Colour

Diese Farbtechnologie ist jedenfalls eine sehr willkommene Neuerung die das Nutzungserlebnis deutlich aufwerten, doch es gibt einige Punkte, die man vor dem Kauf vorab wissen sollte – denn ebenso wie bei anderen Farb-E-Ink-Geräten muss man Kompromisse eingehen.

Erstens ist das Display dunkler als ein typisches Schwarz-Weiß-E-Ink-Display, was an der halb-transparenten Farbfilter-Schicht liegt. Diese dunkelt das Display etwas ab, was jedoch durch Erhöhen der Frontbeleuchtung leicht kompensiert werden kann.

Das Display des Libra Colour (links) ist ohne Beleuchtung wesentlich dunkler als ein normales Schwarz-Weiß-Display (rechts, Libra 2).

Zweitens wirkt das Display optisch etwas körniger (ebenfalls ein Resultat der zusätzlichen RGB-Schicht), was bei normaler Leseentfernung aber kaum auffällt, jedoch bei näherem Hinsehen oder geringem Leseabstand durchaus bemerkbar ist.

Mit aktivierter Beleuchtung ist die Ablesbarkeit problemlos

Und drittens sind die Farben gedämpft und nicht so lebendig wie auf einem LCD-Bildschirm. Dies ist typisch für aktuelle E-Ink-Farbbildschirme und im Grunde etwas, an das man sich schnell gewöhnt, wenn man nicht ständig den Vergleich mit anderen Geräten anstellt.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frontbeleuchtung. Obwohl die Beleuchtung gut ist, erreicht sie nicht die gleichmäßige Helligkeit des Vorgängermodells (Kobo Libra 2).

Es gibt bei maximaler Helligkeit durchaus sichtbare Helligkeitsunterschiede, die störend sein können. Die maximale Helligkeit von rund 120 cd/m² ist allerdings zumeist gar nicht nötig und eine Verringerung der Helligkeit auf komfortable 50 cd/m² reduziert auch die genannten Helligkeitsunterschiede deutlich.

Auch mit Nachtlicht

Wie bereits erwähnt, ist die Farbsättigung am Kobo Libra Colour technikbedingt grundsätzlich niedriger als bei einem Smartphone oder Tablet mit LCD-Bildschirm. Aber auch im Vergleich zu anderen E-Ink Kaleido 3 Geräten fällt auf, dass der Kobo eBook Reader generell etwas blasser wirkt. Kobo hat sich hier offensichtlich dazu entschieden Farbtreue zu priorisieren anstatt die Sättigung durch Softwareanpassungen in die Höhe zu schrauben.

Das hat den Vorteil, dass vor allem Farbverläufe besser aussehen als auf anderen Kaleido-Geräten und die Farben relativ zueinander natürlicher wirken. Allerdings wäre ein Tick mehr Sättigung für meinen Geschmack schon von Vorteil gewesen. Kobo bietet für solche Geschmäcker leider keine direkte Anpassungsmöglichkeit der Farben, wie es etwa bei PocketBook der Fall ist.

Immerhin kann man aber über das versteckte Entwicklungsmenü (indem man „devmodeon“ über die Suchfunktion aktiviert), den CFA (Color Filter Array) Modus anpassen und so doch noch ein wenig mehr Farbsättigung rauskitzeln.

Software und Funktionsumfang

Die Benutzeroberfläche des Kobo Libra Colour ist wie von Kobo bekannt benutzerfreundlich und minimalistisch. Ein kleines Manko ist die obligatorische Anmeldung mit einem Kobo-Konto.

Die farbigen Buchcover auf dem Startbildschirm und in der Bibliothek sind eine willkommene Neuerung.

Es gibt zahlreiche Filter- und Sortieroptionen, die das Organisieren der Bibliothek erleichtern. Die Schriftbildoptionen gehören weiterhin zu den umfangreichsten am Markt und erlauben neben den üblichen Anpassungen wie Schriftgröße und Zeilen- und Randabstände auch die Adaptierung der Schriftstärke mittels Schieberegler.

Der Kobo Libra Colour unterstützt auch Bluetooth für Hörbücher. Die Benutzeroberfläche für gekaufte Hörbücher folgt der restlichen Designphilosophie, der Hörbuch-Player für selbst aufgespielte (nicht direkt bei Kobo erworbene) Audiobücher ist jedoch sehr einfach gehalten und nicht sonderlich hübsch oder benutzerfreundlich.

Notiznehmung

Die Notizfunktion des Kobo Libra Colour ist wiederum ein echtes Highlight. Der optional erhältliche Stift ermöglicht präzises Schreiben mit niedriger Latenz. Dass man ihn gelegentlich aufladen muss ist verkraftbar, da die Akkulaufzeit je nach Nutzung durchaus mehrere Monate beträgt.

Notiznehmung in einem Basis-Notizbuch

Es gibt Basis- und erweiterte Notizbücher, die verschiedene Funktionen bieten, darunter die Konvertierung von Handschrift zu Text. Unterm Strich sind die wichtigsten Funktionen vorhanden, allerdings muss man im Hinterkopf behalten, dass es sich weiterhin primär um einen eReader handelt. Will man hauptsächlich Notizen nehmen, lohnt sich der Blick auf ein digitales Notizbuch wie das Remarkable 2.

Die Notizen werden automatisch synchronisiert und gesichert, was die Nutzung sehr komfortabel macht.

Comics und PDFs

Die Funktionen für Comics und PDFs sind hingegen noch verbesserungswürdig.

Es fehlen grundlegende Features wie die einfache Anpassung der Farbdarstellung und spezielle Anzeige-Modi. Beim Lesen von Comics ist die Software damit fast schon hinderlich und unnötig kompliziert wenn man die Darstellung ein wenig vergrößern möchte. Der Grund: Wenn man eine Comic-Seite an die Bildschirmbreite anpasst, muss man händisch auf und ab scrollen, um den Rest der Seite zu betrachten. Außerdem bleibt die letzte Anzeigeposition nach einem Seitenwechsel bestehen, sodass man andauernd dabei ist die Seite nach oben und unten zu verschieben.

Die Anzeigemodi sind nicht so gut gelungen

Man kann Comics zwar natürlich auch im herausgezoomten Zustand lesen, allerdings ist das am 7 Zoll Display mitunter manchmal schon etwas zu klein, sodass jeder komfortable Zoom-In ein klarer Vorteil wäre.

Auch in PDF-Dateien kann man mit dem Stift Notizen machen

Auch bei PDF-Dateien fehlen spezielle Anzeigemodi, was deren Nutzung ebenfalls nicht sonderlich komfortabel macht. Immerhin klappt aber die Notiznehmung mit dem Stift, direkt auf der PDF-Seite, sehr unkompliziert. Ist man fertig, kann man die mit Notizen versehene PDF-Datei einfach wieder auf den Computer kopieren.

Akkulaufzeit

Die Akkulaufzeit des Kobo Libra Colour ist solide. Bei einer Frontbeleuchtungsstufe von 70 % (ca. 50 cd/m²) hält der Akku etwa 20 Stunden. Das ist ein ordentlicher Wert, der auf eine ebenfalls gute Akkulaufzeit beim Tolino Vision Colour hoffen lässt. Das ist insofern ein wenig beruhigend, als dass der Tolino Vision 6 insbesondere zum Marktstart mit Akkulaufzeitproblemen zu kämpfen hatte.

Somit ist der Kobo Libra Colour mit der Akkukapazität von 2.050 mAh gut um für mehrere Tage mit einer Ladung zu lesen. Wenn man häufig Notizen nimmt oder Comics/PDFs betrachtet, sinkt die Laufzeit allerdings entsprechend.

Fazit

Der Kobo Libra Colour ist ein sehr interessanter eReader mit vielen tollen Funktionen. Besonders die Notizfunktion und die Farbdarstellung sind klare Pluspunkte im Vergleich zum Vorgänger.

Die Frontbeleuchtung ist zwar nicht schlecht, enttäuscht aber ein wenig, da die des Libra 2 (und Vision 6) gleichmäßiger war. Insbesondere die Software muss für PDFs und Comics aber noch verbessert werden.

Der Kobo Libra Colour ist mit kleinen Abstrichen ein gelungener Farb-eReader der bereits Freude auf den Tolino Vision Color macht

Insgesamt bietet der Libra Colour jedoch ein überzeugendes Leseerlebnis und ist ein großer Schritt für den Markt der Farb-eReader. Die Farbdarstellung verbessert das Nutzererlebnis deutlich, auch wenn die Technologie noch nicht perfekt ist.

Der Tolino Vision Color wird sich in einigen Details zwar unterscheiden, unterm Strich darf man sich mit der weitestgehend gelungenen Vorstellung des Libra Colour aber auch bereits auf das Tolino-Schwestermodell freuen, für das es nach Erscheinen bei uns einen ausführlichen Testbericht geben wird.

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Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
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