USA: Steht die digitale Buchleihe vor Lizenzproblemen?
Ein großer Vorteil von eBooks ist die Leichtigkeit sie zu beziehen. Mit wenigen Klicks kann man ein Buch kaufen oder ausleihen, wodurch der eBook Umsatz vieler Verlage in den USA schon bei über 20 Prozent liegt. Zumindest der Leihkomfort scheint die Verlage aber vor ein Problem zu stellen. Die eBook-Ausleihe steht in den USA nämlich vor einem zunehmend größer werdenden Problem.
MacMillan und Simon & Schuster haben die eBook-Ausleihe nie genehmigt, was noch zu verkraften ist. HarperCollins hat im Februar 2011 aber schon Maßnahmen gesetzt, um die Buchleihe für Büchereien zu erschweren bzw. unattraktiver zu machen. Wenn ein eBook 26 mal ausgeborgt wurde, muss die Bücherei eine weitere Kopie kaufen. Bei normalen Büchern wird hier auf die Selbstregulation des Marktes gesetzt, denn es ist nicht ungewöhnlich, dass eine Bibliothek ein Buch nach 100+ Ausleihen austauschen oder reparieren muss.
Teilweise Rückzug der Lizenz
Der nächste Schlag gegen die eBook-Ausleihe kommt nun von Penguin. Der Verlag, welcher dank seiner eBook-Verkäufe noch eine positive Bilanz vorzuweisen hat, zieht die Lizenzierung zur Ausleihe von eBooks bei Overdrive teilweise zurück. OverDrive ist ein Dienstleister für Vertrieb und Organisation digitaler Medien. Eine Vielzahl der Bibliotheken in den USA greifen auf die Dienste der Firma zurück. Insgesamt hat Overdrive mehr als 8500 Partner weltweit und über 500.000 digitale Titel (eBooks, Audiobooks, Film und Musik) im Angebot.
Overdrive beschreibt die Situation wie folgt:
„Letzte Woche hat Penguin eine Mitteilung an Overdrive geschickt, wonach sie ihre Bedingungen zur eBook-Ausleihe überprüfen. In der Zwischenzeit wurde Overdrive angewiesen die Verfügbarkeit neuer Penguin-Bücher in unserem Bibliothekskatalog auszusetzen und die ‚Get for Kindle‘ Funktionalität für alle Penguin Bücher zu deaktivieren. Wir möchten uns hiermit für die abrupte Änderung entschuldigen. Wir arbeiten mit Penguin zusammen um dieses Problem aus der Welt zu schaffen und haben die Hoffnung, dass Penguin zustimmen wird den Zugang zu deren Buchtiteln und die Kindle-Funktion möglichst bald wieder herzustellen.“
Hohe Einstiegsgebühr
Penguin ist vor wenigen Tagen mit einer anderen kontroversen Maßnahme in den Blickpunkt gerückt. Das Penguin-Programm, bei welchem Autoren ihre Bücher selbst veröffentlichen können, sie automatisch ins passende Format konvertiert und zu den größten eBook-Stores verteilt werden, verlangt eine 300 oder 550 US-Dollar Einstiegsgebühr. Andere vergleichbare Dienste starten ab 100 US-Dollar. Darüber hinaus will Penguin auch noch eine 30 prozentige Provision für jedes verkaufte eBook. Amazon und Barnes & Noble nehmen sich ebenfalls 30 Prozent – Penguin will allerdings nochmal den gleichen Anteil nur dafür, dass sie das eBook dort einreichen. Das ist besonders deshalb völlig unverhältnismäßig, da man die eBooks als Autor dort sowieso selbst veröffentlichen kann.
Zurück zur Buchleihe. Penguin hat gegenüber The Digital Shift folgendes Statement abgegeben: „Penguin ist ein Langzeit-Unterstützer von Bibliotheken, sowohl für physische als auch digitale Bucheditionen. Wir haben Büchereien schon immer einen hohen Stellenwert bei der Verbindung von Autoren und unseren Lesern zugeschrieben. Aufgrund neuer Bedenken über die Sicherheit bei eBooks sehen wir aber die Notwendigkeit die Verfügbarkeit neuer Buchtitel einzuschränken, während wir diese Probleme mit unseren Geschäftspartnern zu lösen versuchen. Penguin wird immer versuchen zwischen Lesern und Autoren zu vermitteln; mit diesem Ziel im Auge werden wir uns auch weiterhin dafür einsetzen eng mit unseren Geschäftspartnern und der Bibliotheks-Branche zusammenzuarbeiten um ein sicheres und ein praktikables Vertriebsmodell zu realisieren. In der Zwischenzeit wollen wir versichern, dass neue Buchtitel in Papierform auch weiterhin in allen Büchereien verfügbar bleiben.“
Das Statement ist erschreckend nichts-sagend. Die Sicherheitsbedenken bei eBooks sind wohl ein reiner Vorwand, denn andernfalls hätte man den gesamten eBook-Vertrieb einstellen müssen. Overdrive nutzt das gleiche DRM-System wie alle gängigen eBook-Stores. Das Sicherheitsproblem scheint wohl vielmehr ein Geldproblem zu sein.
Hintergründe unklar
Für diese neue Maßnahme seitens Penguin könnten jedenfalls mehrere Dinge verantwortlich sein:
- Penguin will die Bibliotheken wie HarperCollins ebenfalls extra zur Kasse bieten
- Penguin fürchtet Umsatzeinbußen
- Penguin will Amazon aufgrund des Alleinganges bei der eBook-Leihe einen Strich durch die Rechnung machen
Besonders die Deaktivierung des gesamten Kindle-Verleihs bei Overdrive scheint ein Hinweis darauf zu sein, dass man hier mit Amazon eine Rechnung offen hat.
Erwähnenswert ist bei diesen ganzen Auflistungen auch noch, dass alle hier genannten Verlage Teil der Big Six sind. Die Big Six sind die sechs größten Verlage in den USA: Hachette Book Group, HarperCollins, MacMillan Publishers Ltd, Penguin Group, Random House und Simon & Schuster .
Auch hierzulande erfreut sich die eBook-Ausleihe großer Beliebtheit. Der Dienstleister ist hier allerdings nicht Overdrive, sondern Onleihe. Mit einem Bibliotheksausweis kann man dort schnell und unkompliziert eBooks aus seiner Stadtbücherei leihen (mehr dazu hier). Solche Probleme wie in den USA haben wir hier glücklicherweise (noch) nicht. Die Verlagsbranche kann sich aber dennoch nur schwerlich auf einen Vertriebsstandard einigen, sodass z.B. eine angestrebte eBook Leihe von Libreka aktuell auf Eis liegt.
Zurück ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Die eBook-Ausleihe scheint durch diesen Schritt seitens Penguin jedenfalls auch generell gefährdet zu sein, denn sollte eine Umsatzerhöhung letztendlich erfolgreich sein, könnten bald andere Verlage nachziehen. Und wer weiß schon wie viele Bibliotheken sich solche Spielchen leisten wollen (und können).