Tolino vorerst nicht für den unabhängigen Buchhandel

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Der Tolino Shine sollte die (selbsternannte) Rettung für den deutschen Buchhandel sein, allerdings vorerst weiterhin nur für die großen Filialisten. In den vergangenen sechs Monaten haben MVB (Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels) und Tolino Allianz über den Einstieg der unabhängigen Buchhändler in die Tolino Plattform verhandelt. Wie das Börsenblatt berichtet, wurden die Verhandlungen durch die MVB nun aber endgültig abgebrochen.

Es werden durch die MVB drei wesentliche Gründe für das Scheitern genannt:

  • Content-Bezug: Die Tolino Allianz bezieht die eBooks über den Partner Pebbels, das wiederum ein Gemeinschaftsunternehmen von Weltbild/Hugendubel und Bertelsmann ist. An diesem Content-Bezug will die Tolino Allianz offenbar nicht rütteln. Der unabhängige Buchhandel würde allerdings die Möglichkeit vorziehen, auch alternative Bezugsquellen einbinden zu können.
  • Wirtschaftlichkeit: Die Tolino Allianz will zukünftige Partner auch an bisherige Investitionen beteiligen, was aber die Margen der Buchhändler deutlich verschlechtern und eine Subventionierung der MVB nötig machen würde.
  • Mitsprache: Als Partner hätten sich die unabhängigen Buchhändler auch Mitspracherechte bei der Weiterenticklung der Plattform gewünscht. Das wird von der Tolino Allianz aber im Sinne höherer Flexibilität und Umsetzungsgeschwindigkeit bei der Entwicklung abgelehnt.

Tolino-Streitpunkte wenig überraschend

Die drei Unvereinbarkeiten kommen eigentlich nicht sonderlich überraschend. Dass die Tolino Allianz das aufgebaute Content-System nicht aufweichen will, ist zwar bedauerlich, aber durchaus verständlich. Immerhin soll der subventionierte Hardwareverkauf ja gerade dafür sorgen, dass die eigenen Inhalte besser vertrieben werden können.

Dass sich zukünftige Partner auch an bisherigen Investitionen beteiligen sollen, mutet auf den ersten Blick zwar etwas merkwürdig an, unterstreicht aber den hohen Preisdruck am eBook(-Reader)-Markt. Dass diese Bedingung von der MVB im Namen des unabhängigen Buchhandels abgelehnt wird, ist aber ebenso wenig verwunderlich.

Als Partner will man natürlich auch entsprechendes Mitspracherecht bei der weiteren Entwicklung haben. Dass die Tolino-Allianz dies im Sinne einer möglichst unkomplizierten Weiterentwicklung ablehnt, kann man eigentlich nur begrüßen. Immerhin war man mit den zwei bisherigen Updates ohnehin nicht sonderlich schnell (besonders wenn man sich die Ankündigung laufender Updates zum Tolino-Start ins Gedächtnis ruft). Die Updatepolitik noch weiter zu verlangsamen oder zu lähmen, könnte die weitere Wettbewerbsfähigkeit massiv behindern.

Trotz der Nachvollziehbarkeit der Streitpunkte, ist es aber natürlich schade, dass man sich nicht einigen konnte, wobei darunter in erster Linie der unabhängige Buchhandel leiden wird, der hier weiter unter die Räder von Amazon, Kobo und nun eben auch der Tolino-Allianz kommt.

Offenheit, Offenheit, Offenheit

Die Tolino-Partner haben nochmals die Offenheit der Tolino-Plattform betont: „Daher bemühen wir uns sehr intensiv um eine Lösung für die Branche“. Das Scheitern der Verhandlungen nimmt man „mit sehr großem Bedauern zur Kenntnis“. Die Tolino Partner wollen auch in Zukunft „weiterhin mit anderen möglichen Partnern sprechen“ um – sofern möglich – auch „andere Branchenteilnehmer in die Tolino-Partnerschaft einzubinden“.

Das Wörtchen Offenheit verkommt in meinen Augen hier schon langsam aber sicher zum Unwort des Jahres 2013. Vor wenigen Tagen haben wir davon berichtet, dass die vermeintlich große und massiv beworbene Offenheit des Tolino Shine eigentlich nicht wirklich vorhanden ist. Dieses Bild setzt sich nun in gewisser Weise eben auch hier fort, wenn sich die Tolino Allianz weigert, alternative Bezugsquellen für eBooks zuzulassen. Man ist dann eben nur so offen, wie es die eigenen Interessen zulassen – wie das in der eBook-Branche eben so üblich ist.

Vorerst bleibt der Tolino Shine jedenfalls weiterhin in erster Linie nur bei Thalia, Weltbild, Hugendubel und der Telekom erhältlich. Damit ist die Tolino-Plattform also nur eine Rettung für die großen Filialisten am deutschen Buchmarkt, nicht für den unabhängigen Buchhändler ums Eck.

Wie es nun weitergeht, steht in den Sternen. Die MVB wird laut eigener Aussage weitere Optionen ausloten, um die Situation für die unabhängigen Buchhändler zu verbessern. In der Zwischenzeit können diese z.B. auf die Angebote von Libri oder Umbreit zurückgreifen, wo Sony PRS-T3S oder Pocketbook Touch Lux eBook Reader angeboten werden.

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Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
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