Kobo-Mutterkonzern Rakuten kauft Overdrive, hat Amazon im Visier
Im Jahr 2011 hat der größte japanische Internethändler Rakuten den kanadischen eBook Spezialisten Kobo gekauft. Die Übernahme hat sich das Unternehmen 315 Millionen US-Dollar kosten lassen. Bereits davor war Rakuten lange Zeit auf Einkaufstour und hat bevorzugt verschiedene aufstrebende Onlinehändler gekauft, um den internationalen Internetversandhandel anzukurbeln.
Seit der Kobo-Übernahme liegen die Anstrengungen des Unternehmens allerdings auch verstärkt auf dem Ausbau des eBook-Geschäfts. Der Hauptkonkurrent ist dabei kein geringerer als Amazon. Sowohl am Heimatmarkt in Japan, als auch auf dem internationalen Parkett.
eBook-Verleih wechselt Besitzer
Bisher schien der Kampf gegen den US-Versandriesen allerdings nur beschwerlich voran zu gehen. Das sah offenbar auch Rakuten so und geht mit dem heutigen Tag wieder auf Einkaufstour. Wie die japanische Firma mitteilt, hat man soeben eine Vereinbarung getroffen um den US eBook Verleih Overdrive für 410 Millionen US-Dollar zu übernehmen.
Overdrive ist der größte Anbieter für digitale Bibliotheksdienste in den USA. Das Ganze funktioniert ähnlich wie die Onleihe hierzulande. Der US-Anbieter ermöglicht es den Partnern eigene Verleihangebote auf die Beine zu stellen und gibt dafür Zugriff auf das eigene Sortiment.
Weltweit hat Overdrive laut eigenen Angaben über 33.000 Büchereien, Schulen und Händler als Partner. In den USA bietet die Firma außerdem eine Verleihoption für Kindle-eReader an – etwas das es bei der Onleihe nicht gibt.
Kampfansage an Amazon: Taten sprechen lassen
Die Frage ist nur: Wie lange noch? Rakuten Gründer und CEO Hiroshi Mikitani hat in der Vergangenheit keinen Hehl daraus gemacht, dass man Amazon bezwingen will.
Die Overdrive Übernahme könnte dazu führen, dass der Verleihdienst die Unterstützung für Kindle eBook Reader über kurz oder lang einstellt. Sollte das tatsächlich geschehen, wäre das ein harter Schlag für Amazon. Laut einer Erhebung (aus dem Jahr 2012) verwenden über 80 Prozent der Overdrive-Nutzer ein dediziertes Lesegerät zum Lesen der geliehenen eBooks. Mittlerweile ist Amazons Kindle Angebot noch deutlich stärker aufgestellt als damals, sodass der Versandriese (hauptsächlich wegen der Verfehlungen von Hauptkonkurrent Barnes & Noble) den mit Abstand größten Anteil des eBook Reader Marktes in den USA hält. Das dürfte wiederum bedeuten, dass die meisten Overdrive-Kunden heutzutage einen Kindle eReader nutzen.
Jedenfalls wirft die Rakuten-Übernahme auch ein neues Licht auf die zuletzt berichteten Verzögerungen bei der Kindle-Verfügbarkeit aktueller eBooks. Zuletzt schienen es nur noch wenige neue Titel in das Kindle-Sortiment von Overdrive zu schaffen, was möglicherweise nicht direkt mit Amazon zu tun hatte (wie ursprünglich gedacht), sondern mit dem nun angekündigten Inhaberwechsel.
Der Wegfall des Service könnte die Wechselwilligkeit der digitalen Bibliothekskunden mit Kindle eReadern (hauptsächlich in Nordamerika) drastisch erhöhen, was wiederum dem Rakuten-Tochterunternehmen Kobo in die Hände spielen würde.
Europa und andere internationale Märkte sollen wachsen
Abseits eines solchen potentiellen, direkten Konkurrenzkampfes mit Amazon kündigt Rakuten bereits an, dass man das internationale Kobo-Angebot stärken wird. „Kobo […] und Overdrive werden zusammen arbeiten und deren Möglichkeiten verbessern erstklassige Inhalte und Lese-Services anzubieten“, heißt es in der Pressemitteilung.
Dem kanadischen eBook Spezialisten fehlt ein entsprechendes Gegenstück zu Amazons Kindle Leihbücherei und Kindle Unlimited Flaterate, was sich in Zukunft mit einer stärkeren Verknüpfung des neu erworbenen Bibliotheksservice vermutlich ändern wird.
In der Vergangenheit hat Rakuten bereits betont, dass Europa als Wachstumsmarkt wahrgenommen wird. „Wir sehen Europa als eine Region für Wachstum. Deshalb wollen wir weitere Zukäufe tätigen“, hieß es bereits im Jahr 2012. Die Overdrive-Übernahme könnte das Kobo-Angebot somit auch hierzulande aufhübschen.
Innerhalb der nächsten 30 Tage soll das Geschäft über die Bühne gehen. Danach wird es wohl wieder einige Zeit dauern, bis die Auswirkungen im Endkundengeschäft angekommen sind.