Amazon schwächelt, oder auch nicht?

Geschätzte Lesezeit: 3:36 min.

Amazon hat die Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr veröffentlicht, was einen zwischenzeitlichen Kurseinbruch von bis zu 10 Prozent zur Folge hatte. Nicht umsonst berichten quasi alle Medien übereinstimmend, dass Amazon schwächelt.

Ein genauer Blick auf die Umsatzzahlen zeigt allerdings, dass es dem Konzern weiterhin gut geht. Der Kurssturz ist in erster Linie auf einen Kurssprung direkt vor Bekanntgabe der Zahlen und anschließend enttäuschten Erwartungen der Anleger zurückzuführen, die mit einem stärkeren (Medien-)Wachstum gerechnet haben. Besonders außerhalb der USA ist der Umsatz nicht so stark gewachsen, wie in den Jahren zuvor. Wie immer gibt Amazon keine einzelnen Zahlen zum Auslandsbetrieb bekannt. Insgesamt konnte das Unternehmen im Jahr 2013 außerhalb der USA aber 29,93 Mrd. US-Dollar erwirtschaften, was im Vergleich zum Jahr 2012 (26,28 Mrd. US-Dollar) ein Wachstum von knapp 14 Prozent bedeutet.

Internationales Wachstum trotz Gegenwind

Zum Vergleich: Der deutsche Ableger von Amazon erwirtschaftete im Jahr 2012 rund 8,7 Mrd. US-Dollar (+21 Prozent). Im Jahr 2011 waren es 7,2 Mrd. US-Dollar (+36 Prozent), 2010 ca. 5,3 Mrd. US-Dollar. Ein weiterer Wachstumsrückgang kommt daher eigentlich nicht sonderlich überraschend und folgt der Entwicklung der vergangenen Jahre.

Wenn der Markt eine gewisse Sättigung erreicht hat, kann man eben nicht im gleichen Maße weiterwachsen, wie zu einer Zeit als Online-Shopping noch in den Kinderschuhen steckte. Erschwerend hinzu kommt, dass Amazon im Jahr 2013 in Europa mit enormen Gegenwind zu kämpfen hatte und sowohl die Steuerpraktiken als auch die Arbeitsbedingungen des Versandhändlers am Pranger standen (und weiterhin stehen). Das ist besonders in Deutschland und Großbritannien der Fall, die gleichzeitig die wichtigsten Auslandsmärkte des Unternehmens sind (Platz 1 und 3; Japan auf Platz 2).

Medienwachstum geringer als erwartet

Überraschend kommt dann aber zumindest eine Sache: Das Medienwachstum von Amazon fiel relativ schwach aus. Das dürfte für den Kurssturz mitverantwortlich gewesen sein, denn auch wenn Amazon in der Vergangenheit nur geringe Gewinne oder sogar Verluste ausgewiesen hat, bisher konnten sich die Anleger immer sicher sein, dass man auf lange Sicht mit dem Content-Angebot sicher aufgestellt ist. In den USA gab es mit einem Wachstum (9,19 Mrd. auf 10,81 Mrd. US-Dollar) von fast 18 Prozent beim Medienumsatz (eBooks, Bücher, Musik, Filme, Serien, Apps) keine Probleme. International sieht die Sache allerdings weniger gut aus, denn hier konnte Amazon nichtmal um 2 Prozent zulegen (10,75 Mrd. auf 10,91 Mrd. US-Dollar).

Mit einer Preisaktion im Weihnachtsgeschäft schaffte es das Kindle Fire HD kurzzeitig immerhin auf Platz 2

Weshalb das Wachstum so gering ausgefallen ist, lässt sich mangels detaillierter Zahlen nur mutmaßen. Man darf aber annehmen, dass das Geschäft mit eBooks weiterhin gut läuft. Problematisch dürfte hingegen die Entwicklung der Video- und App-Sparten sein, denn diese versucht Amazon in erster Linie über die Kindle Fire Tablets zu verkaufen. Der Tablet-Verkauf geht aber zumindest in Deutschland eher stockend voran, wie wir bereits in der Vergangenheit berichtet haben. In den Top 100 Elektronikcharts sind die Kindle Fire Geräte meist nur weit hinten zu finden, während die eBook Reader immer auf Platz 1 und 2 liegen.

Ein weiterer Stolperstein ist das Gerücht, wonach Amazon die Prime-Mitgliedschaft in den USA verteuern will. Derzeit kostet der Premium-Service 79 US-Dollar pro Jahr, wobei von einer Preiserhöhung zwischen 20 und 40 US-Dollar die Rede ist. Die meisten Medien spekulieren, dass der aktuelle Preis nicht mehr kostendeckend sei. Es wäre aber ebenso gut möglich, dass eine Preiserhöhung mit den aktuellen Gerüchten rund um eine mögliche Amazon-Spielekonsole zusammenhängt. Es käme nicht überraschend, wenn der Versandriese die Prime-Mitgliedschaft auch auf das neue Gerät ausweitet und dafür diverse (vielleicht kostspielige) Boni anbietet.

Abschließend lässt sich jedenfalls festhalten, dass die Umsatzzahlen des vergangenen Jahres keineswegs schlecht sind und Amazon weiterhin ein durchaus beeindruckendes Wachstum vorgelegt hat, das andere Unternehmen sicherlich auch gerne sehen würden. Für das Medien-Segment (Videos, Serien, Apps) in den internationalen Märkten muss sich der Versandriese allerdings etwas einfallen lassen, denn mit den Kindle Fire Tablets kann man zumindest hierzulande kein ausreichendes Moment generieren.

Für die kommenden Monate gibt Amazon einen wechselhaften Ausblick: Für das aktuelle Quartal werde man entweder einen Gewinn oder Verlust von bis zu 200 Millionen US-Dollar einfahren. Damit stehen die Chancen gut, dass der Versandriese demnächst tatsächlich ein neues Produkt vorstellen wird. Ein möglicher Kindle DX Nachfolger (Codename: Kindle Ice Wine) steht dabei hoch im Kurs.

Mehr zum Thema

Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
Anzeige