Über welche Vertriebskanäle werden die meisten eBook Reader verkauft?

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Das Weihnachtsgeschäft ist vorüber und damit rücken auch die ersten Händler mit Details zum Ablauf und Umsatz der Geschäftstätigkeiten der letzten Monate heraus. Der prominenteste Vertreter ist dabei im Moment ohne Zweifel die Verlagsgruppe Weltbild, die aufgrund des laut eigener Aussage insgesamt schwachen Weihnachtsgeschäfts und der (scheinbar) zurückgezogenen Finanzierungszusagen der Bistümer letztendlich in die Insolvenz geschlittert ist. Dabei lag das Geschäft im Dezember sogar über den Erwartungen.

Ein anderer Anbieter der ebenfalls einen Umsatzrückgang hinnehmen musste, ist Buch.de. Die Thalia-Tochter machte im Geschäftsjahr 2012/2013 einen um 2,5 Prozent geringeren Umsatz als im vorangegangenen Jahr. Wir interessieren uns aber vorwiegend für den digitalen Wandel und werfen daher einen Blick auf die Tolino-Verkäufe. Zwar gibt Buch.de ebenfalls keine konkreten Verkaufszahlen zum Gemeinschafts-eBook-Reader bekannt, allerdings heißt es im Jahresbericht: „Es hat sich im abgelaufenen Geschäftsjahr gezeigt, dass der erfolgreiche Verkauf des tolino shine E-Readers, der zu 80 Prozent in den Thalia-Filialen realisiert wurde, dem Online-Umsatz mit E-Books einen kräftigen Anschub verliehen hat.“

Stationärer Handel als digitales Standbein?

Dass die eBook Reader Verkäufe den Umsatz mit digitalen Büchern ankurbeln sollen, ist das selbsterklärte Ziel von subventionierten Lesegeräten. Das scheint Thalia bzw. Buch.de mit dem Tolino Shine jedenfalls geglückt zu sein, denn die eBook-Umsätze des Unternehmens haben sich im abgelaufenen Geschäftsjahr fast verdoppelt.

Soweit läuft bei Thalia und Buch.de offenbar alles nach Plan und ohne allzu große Überraschungen. Der Hinweis zu den Tolino Shine Verkäufen im oben zitierten Absatz ist aber dennoch erstaunlich: 80 Prozent der abgesetzten Tolino Shine sind in Thalia Filialen verkauft worden.

Erstaunlich ist es deshalb, da ein Blick in die Vergangenheit eine ganz andere Kaufbereitschaft der Kunden im stationären Buchhandel offenbart hat. Im Jahr 2013 wurden 300 Buchhandlungen zu ihren eBook Reader Verkaufszahlen im Weihnachtsgeschäft 2012 befragt. Damals gaben 70 Prozent der befragten Händler an, dass sie im Dezember 2012 nur maximal fünf eBook Reader verkauft haben.

Umso kleiner die Buchhandlung, desto geringer waren die eBook-Reader-Verkäufe. Bei einem Jahresumsatz ab 1 Million Euro berichten rund 30 Prozent, dass sie mehr als 25 Geräte im Dezember 2012 verkauft hätten – mit einigen deutlichen Ausreißern nach oben, wie es damals hieß. Besonders viel schien das aber letztendlich auch nicht zu sein, wenn man bedenkt, dass im Jahr 2012 in Deutschland 685.000 eBook Reader verkauft wurden. Auch wenn es damals keinen Vergleich zum Online-Handel gab, so schien dieser bei solch geringen absoluten Verkaufszahlen im stationären Buchhandel doch deutlich die Nase vorne gehabt zu haben.

Struktureller Wandel am eBook-Reader-Markt?

Die Tatsache, dass bei Thalia und Buch.de 80 Prozent der Tolino Shine Verkäufe in den Filialen erfolgt sind, kann man nun auf mehrere Arten interpretieren:

  • Die Online-Portale des Unternehmens sind schlecht frequentiert und/oder ein Verkaufsabschluss erfolgt dort verhältnismäßig selten.
  • Die Werbung der Tolino-Allianz war besonders effektiv und hat viele Interessenten in die Filialen gezogen, wo es auch direkt zum Verkauf kam.
  • Erstmals hat das Offline-Angebot gestimmt, sodass die ehemals schwachen Verkäufe im stationären Buchhandel, dem durch die Tolino-Allianz eingeläuteten Strukturwandel des eBook-Marktes gefolgt sind.
  • Die Shop-in-Shop-Lösungen (siehe unten) haben die Tolino-Verkäufe angekurbelt.

Vermutlich ist diese unerwartete Verteiltung bei Thalia auf eine Kombination aus diesen (und vermutlich einigen anderen) Faktoren zurückzuführen.

Tolino Shop-In-Shop-Lösung bei Thalia

Die überraschende Verkaufsverteilung könnte andeuten, dass einige Mitbewerber in Zukunft Probleme haben werden, weitere Marktanteile zu gewinnen. Amazon verkauft deren Kindle Lesegeräte z.B. nur über die eigene Homepage bzw. über Elektronikhändler (wie Media Markt oder Saturn), hat allerdings im stationären Buchhandel keine Präsenz. Zumindest muss sich der Versandriese aber (trotz aller Skandale) keine Sorgen um die Akzeptanz des Online-Geschäfts machen. PocketBook konnte in den vergangenen Monaten mit der Mayerschen Buchhandlung und Osiander zwei wichtige Partner gewinnen, sodass deren Geräte (neben dem Umbreit-Vertrieb) nun auch verstärkt im Offline-Handel sichtbar sind.

Wie schon in unserer Jahresübersicht 2013 muss man aber besonders auf Kobo einen kritischen Blick werfen. Die Kanadier haben zwar sehr attraktive eBook Reader (und Tablets) am Markt, sind aber im stationären Buchhandel quasi unsichtbar. Einzig in Österreich hat man mit der Libro-Partnerschaft zumindest einen Fuß in der Türe. In Deutschland sieht es in dieser Hinsicht aber weiterhin eher schlecht aus. In Anbetracht der offenbar durchaus wichtigen Rolle des stationären Buchhandels für das eBook-Geschäft, wäre Kobo gut beraten wenn man sich auch hierzulande Buchhandlungen als lokale Partner sucht – wie das z.B. in England mit WHSmith der Fall ist.

Es ist natürlich schwer, ohne konkrete Verkaufszahlen zu kennen, eine abschließende Bewertung über die Martksituation und -entwicklung abzugeben. Aber immerhin gibt es mit der im Buch.de-Jahresbericht genannten Verteilung und der letztjährigen Umfrage zwei Anhaltspunkte um ein paar Überlegungen zur möglichen Entwicklung anstellen zu können. Die Unterhaltungselektronikmärkte in Deutschland und den USA sind sich zwar in gewisser Hinsicht ähnlich, aber es ist aufgrund des sich erst im Anfangsstadium befindlichen eBook-Marktes hierzulande keineswegs gesagt, dass Amazon es letztendlich schaffen wird, auch in Deutschland die Oberhand zu gewinnen. Das in Deutschland vorhandene stationäre Buchhandlungsnetz der Filialisten könnte am Ende eine völlig andere Verteilung der eBook-Anbieter zur Folge haben. Dabei stellt sich nun aber natürlich auch die Frage, welchen Einfluss die Weltbild-Pleite auf diese Entwicklung haben wird.

Was denkst du – wo werden (in Zukunft) die meisten eBook Reader verkauft? Ist der stationäre Buchhandel der Schlüssel für ein erfolgreiches Wachstum?

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Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
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