Adobe stellt neues DRM-System vor … wozu eigentlich?
Es wurde bereits vor einiger Zeit gemunkelt, dass Adobe in Kürze mit einem neuen, überarbeiteten und sicheren DRM-System durchstarten wolle. Nun war es vor zwei Tagen schließlich so weit, das Softwareunternehmen hat Digital Editions 3.0 und Content Server 5 veröffentlicht. Das Roll-Out der neuen Softwareversionen fällt allerdings noch ein wenig holprig aus, denn die Support-Seiten und -Dokumente wurden bisher ebenso wenig aktualisiert wie die länderspezifischen Seiten und auch eine Pressemitteilung hat das Unternehmen noch nicht veröffentlicht.
Fest steht aber jedenfalls, dass mit der neuen Version der Content Server Software auch ein härterer DRM-Schutz Einzug halten wird, der nicht mehr so einfach zu knacken sein soll. Auf der Homepage heißt es dazu: „Die verstärkte DRM Lösung nutzt multiple Verschlüsselungsebenen, wobei der Adobe Lizenzserver die Möglichkeit hat, den Verschlüsselungsmechanismus zu verändern“.
Neue DRM-Maßnahmen für langanhaltende Sicherheit
Im Gegensatz zur aktuell gängigen Lösung kann Adobe (bzw. der Lizenznehmer) die Verschlüsselung also einfach wechseln, sodass funktionierende Hacks um den DRM-Schutz zu entfernen zeitlich begrenzt wären.
Aus Adobes Perspektive macht die Verbesserung des DRM-Schutzes natürlich Sinn, denn das bisherige System war nicht besonders effektiv. Aus Endkundensicht ergeben sich mit dem neuen DRM-Schutz allerdings potentielle Probleme. Da bisher noch keine genauen Details zur Funktionsweise der neuen Software bekannt sind, kann man darüber allerdings noch kein abschließendes Urteil abgeben.
Als großes Fragezeichen steht die Abwärtskompatibilität der neuen DRM-Maßnahmen im Raum. Aktuelle eBook Reader Modelle können die Verschlüsselung möglicherweise nicht lesen. Sollte das tatsächlich der Fall sein, bräuchten mehrere Gerätegenerationen Softwareupdates, die es aber vermutlich nicht von jedem Hersteller (besonders für ältere Modelle) geben wird. Dabei sind eBook Reader die ACSM-Dateien lesen können (Sony, Pocketbook, Tolino …) möglicherweise nochmals gesondert betroffen, weil die integrierten Shops im Regelfall dieses Format zum Download DRM-geschützter eBooks anbieten und das eventuell ebenfalls verändert wurde. Da Adobe die Beispiel-Dateien auf deren Webseite noch nicht aktualisiert hat, lässt sich das zum aktuellen Zeitpunkt nicht nachprüfen.
Wer braucht das eigentlich?
Ohne genaue Spezifikationen des neuen Systems zu kennen, lassen sich somit nur Spekulationen anstellen. Wie es dann letztendlich wirklich aussieht, wird sich also noch zeigen müssen. Bevor wir uns hier weiter in irgendwelche Gedankenkonstruke verstricken, machen wir einen Schritt zurück und fragen: Wer braucht das eigentlich?
Viele „normale“ eBook-Nutzer wollen eigentlich einfach nur lesen und interessieren sich gar nicht für den ganzen technischen Firlefanz der da im Hintergrund läuft. So gesehen betrifft diese Maßnahme den Otto-Normalverbraucher sowieso nicht – zumindest nicht mehr als der bisherige DRM-Schutz.
Problematisch wird es hingegen für Personen, die ihre eBooks von DRM befreien (umgangssprachlich: „alfen“). Das wird (wenn es nach Adobe geht) in Zukunft nicht mehr so einfach möglich sein. Wieviele solcher Nutzer es gibt, lässt sich nur schwer sagen, aber die Anzahl wird sich wohl in Grenzen halten. Abgesehen davon richten diese DRM-Gegner eigentlich sowieso keinen Schaden an, denn nur weil man ein eBook vom Kopierschutz befreit, heißt das nicht automatisch, dass es danach auch weitergegeben wird. Meist dient das DRM-Entfernen dazu, um sicherzustellen, dass die eBooks ohne künstliche Einschränkungen (auch in Zukunft) problemlos genutzt werden können.
Vermutlich nur ein kleiner Teil der DRM-Entferner wird die eBooks auch weitergeben. Für diesen kleinen Teil sollen Shopbetreiber nun also einen neuen Content Server lizenzieren und sich dann eventuell mit Problemen die sich mit der Umstellung ergeben, herumschlagen müssen. Besonders sinnvoll erscheint dies nicht.
Keine effektive Maßnahme gegen eBook-Piraterie
„Aber die Piraten!!“, würde ein Adobe-Manager nun sicherlich einwenden. Ja, die eBook-Piraten sind natürlich ein Problem für die Rechteinhaber, aber mit dem neuen DRM-Schutz wird sich an der Situation nichts ändern. Mal abgesehen davon, dass wirklich ausnahmslos alle Shopbetreiber auf den neuen Adobe Content Server 5 wechseln müssten, um einen lückenlosen Schutz zu gewährleisten (d.h. ohne dass es noch irgendwo Zugriff auf das alte DRM gibt), darf man hier eine bedeutende Sache nicht vergessen: Nicht alle Händler nutzen Adobe-DRM.
Neben Amazon greifen auch andere (Apple, Barnes & Noble …) auf eigene DRM-Lösungen zurück. Solange diese DRM-Systeme weiterhin knackbar sind, werden eBook-Piraten auch immer an die gewünschten Inhalte kommen. Somit wird sich an der Piraten-Situation nichts ändern. Die DRM-Gegner die ihre eBooks zwar befreit haben, aber nicht weitergeben, werden sich dann in Zukunft wohl auch bei Amazon bedienen.
Ja, wozu braucht man dann eigentlich ein neues DRM? Die normalen Nutzer merken nichts davon und die DRM-Gegner und Piraten holen sich ihre eBooks dann eben woanders. Wirklich sinnvoll scheint ein Umstieg (selbst unter der Voraussetzung, dass der Wechsel für Betreiber und Kunden problemlos erfolgt) also nicht zu sein.
Im Grunde gibt es nur einen Gewinner: Adobe. Das Softwareunternehmen stellt die Plattform zur Verfügung und kann jetzt auch garantieren, dass die beworbene Dateisicherheit auch wirklich vorhanden ist. Damit man diese nutzen kann, sind aber wohl wieder Lizenzgebühren fällig. Zur Einführung von Content Server 4 lagen die einmaligen Nutzungsgebühren bei 6.500 US-Dollar.
Für ängstliche Rechteinhaber gibt’s nun jedenfalls offenbar eine Lösung um die Datensicherheit zu gewährleisten. Aufgrund der vorhin schon genannten Tatsache, dass Amazon & Co. aber auf andere DRM-Maßnahmen setzen, die man weiterhin umgehen kann, ist die Effektivität des neuen Systems aber sowieso schon Untergraben bevor es überhaupt den Markt erreicht.
Die gesamten Ausführungen in diesem Artikel wurden natürlich unter der Annahme verfasst, dass das neue Adobe-System tatsächlich sicher ist. Ob das wirklich der Fall ist, wird sich aber noch zeigen müssen. Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass Adobe durch den Vorstoß keine weitere Fragmentierung des ePub-Marktes verursacht.