Verlage fühlen sich durch Selbstpublikationen bedroht; Ein Fallbeispiel

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Vor einiger Zeit haben wir schon darüber geschrieben, dass die Möglichkeit der Selbstpublikation im Amazon Kindle Store, viele Verlage über kurz oder lang vor ein Problem stellen könnte. Wie es scheint, ist dieser Zeitpunkt schon da.

Wie Buchautorin Kiana Davenport in ihrem Blog berichtet, hatte sie einige Kurzgeschichten in zwei Sammlungen selbst veröffentlicht, was dazu geführt hat, dass eines der „Big-Six“-Verlagshäuser (Hachette Book Group, HarperCollins, MacMillan Publishers Ltd , Penguin Group , Random House, Simon & Schuster) von der Veröffentlichung ihres ersten Romans zurückgetreten ist. Der Verlag hatte gefordert, die Selbstpublikationen zumindest so lange zu entfernen, bis der Roman in Hardcover- und Taschenbuchformat gedruckt und verkauft wird. Das Problem an der Sache: Die Veröffentlichung der Hardcover-Version sollte erst im August 2012 erfolgen, die Taschenbuch-Version ein Jahr später.

Wie sehr sich die Verlage aber tatsächlich vor Amazon fürchten zeigt die Reaktion, von welcher Davenport berichtet:

Der Herausgeber sei bei der ganzen Angelegenheit nämlich nicht besonders sachlich gewesen. Im Gegenteil: Es wurde immer wieder (über die Professionalität hinaus) die Stimme gegen sie erhoben und sie wurde beschuldigt den Verlag mit deren größtem Gegner Amazon zu hintergehen.

Die Autorin und ihr Anwalt wollten die Sache natürlich schnellstmöglich aus der Welt schaffen und haben dem widersprochen. Die Selbstpublikation der ersten Sammlung erfolgte nämlich 2006 noch bevor der Vertrag mit dem Verlagshaus unterzeichnet wurde. Plötzlich war die zweite Sammlung Ziel der Angriffe des Verlages, welche erst dieses Jahr im Juli veröffentlicht wurde. Die Ironie an der Geschichte ist die Tatsache, dass Davenport ihre Kurzgeschichtensammlungen über die Jahre an die sechs genannten Verlage gesandt hat – und abgelehnt wurde. Damals waren sie offenbar nicht gut genug, jetzt wo sie allerdings käuflich zu erwerben sind, fürchtet der Verlag um die eigenen Verkaufszahlen.

Der Herausgeber des neuen Romans forderte Davenport auf, ihr zweites Sammelband aus allen Selbstpublikationsplattformen zu entfernen (namentlich Amazon, Nook, iBooks) und obendrein alle rund 400.000 Google Suchergebnisse die den Buchtitel und ihren Namen beinhalten, löschen zu lassen. Wow.

Da die Autorin nichts falsch gemacht hat, weigerte sich dazu aufzugeben und den Forderungen nachzukommen.

Um die Sache dann endgültig schlimmer zu machen, flatterte Mitte August ein Brief der Verlags-Anwälte bei ihr ein, in welchem sie aufgefordert wird, die 20.000 US-Dollar, welche sie im Voraus erhalten hatte, zurückzuzahlen. Solange das nicht geschehe, bleiben die Exklusivrechte des Verlags an besagtem Roman aufrecht, die Publikation wird aber aller Voraussicht nach ausgesetzt. Der Roman befindet sich damit in Geiselhaft.

Bei dieser Geschichte mag es sich um einen Einzelfall handeln, aber sie zeigt wie sehr sich Amazon in den letzten Jahren vom Internetversandhaus zu einem Big-Player am Buchmarkt entwickelt hat. Wie berichtet, geht das mittlerweile so weit, dass Amazon unter eigenem Label in das Buchdruckgeschäft einsteigt und damit zum vollwertigen Verlagshaus aufsteigt. Das letzte Wort im Fall von Kiana Davenport ist jedenfalls noch nicht gesprochen und sobald es Neuigkeiten dazu gibt, werdet ihr es hier auf jeden Fall erfahren.

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Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
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