Boykott, Streit und Klage: Die Nachwehen der Illuminati-eBook-Aktion bei Amazon
Vor Kurzem hat Amazon in Zusammenarbeit mit Bastei Lübbe den Bestseller Illuminati von Dan Brown im eBook-Format verschenkt. Dass die Aktion beim unabhängigen Buchhandel auf wenig Gegenliebe stoßen wird, dürfte den beiden Aktionspartnern sicherlich schon vorher klar gewesen sein. Es ist nämlich nicht das erste Mal, dass deren Kooperation in der Kritik stand.
Bastei Lübbe verlegt den Gewinner des Kindle Storyteller Wettbewerbs „Paradox“, auf dessen Cover das Kindle-Logo als Teil des Gewinnersiegels aufgedruckt ist. Als das bekannt wurde, haben sich einige Händler über dieses Vorgehen beklagt.
Das hielt den Verlag aber nicht davon ab, weiterhin aktiv mit Amazon zusammenzuarbeiten. Und genau diese letzte Aktion schlägt nun große Wellen, die in meinen Augen zumindest teilweise überraschend kommen.
Zusammenarbeit auf dem Prüfstand
In den öffentlichen Blickpunkt rückte die Kritik nach diversen Social Media Beschwerden letztendlich durch die Pressemitteilung von Buy Local. Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, den stationären (inhabergeführten) Handel zu unterstützen. Dementsprechend hatte man wenig Freude mit der Amazon-Aktion.
Das ging dann letztlich soweit, dass verschiedene Buchhändler die (enge) Zusammenarbeit mit Bastei Lübbe beendet haben und sich auch Buy Local zu diesem Schritt veranlasst gesehen hat. In der Pressemitteilung dazu heißt es: „Die bundesweite Initiative BUY LOCAL distanziert sich von der seit 2012 bestehenden Förderpartnerschaft mit dem Buchverlag Bastei Lübbe. Grund sind Differenzen aufgrund wiederkehrender Marketingaktivitäten des Verlages mit dem Onlineversender Amazon.“
In weiterer Folge gab Bastei Lübbe ein Statement ab, das beim Börsenblatt einsehbar ist. Gleich zu Beginn wird dabei eingeworfen, dass der Verlag ähnliche Aktionen auch mit anderen Händlern durchgeführt hat. Nicht weit zurück, liegt die gratis Vergabe des eBooks „Das Lächeln der Fortuna“ bei Hugendubel.
Dieser Einwand wird vom Buy Local Vorsitzenden (und Ravensbuch Geschäftsführer) mit „(…) ist in Ordnung, das ist Bestandteil des normalen Wettbewerbs“ begegnet. Der einzige Unterschied hierbei ist, dass Hugendubel und andere Filialisten im gleichen Boot sitzen wie der unabhängige Buchhandel: Amazon bedroht deren Existenz. An der grundsätzlichen Ausführung der Gratisvergabe gibt’s aufgrund des in beiden Fällen erforderlichen Benutzerkontos, das der Kundenbindung dienen soll, keinen Unterschied.
Begrenztes Amazon-Wachstum
Weiterhin heißt es, dass Amazon darauf abziele Verlage und Buchhandlungen überflüssig zu machen. Es stimmt selbstverständlich, dass der Versandriese Strukturen geschaffen hat, die denen des traditionellen Buchmarktes gegenüber stehen. Insbesondere das Selfpublishing-Geschäft läuft für Amazon sehr gut.
Dass Verlage und Buchhandlungen überflüssig werden könnten, halte ich aber für falsch. In Seattle, USA, hat der Versandriese mit Amazon Books im November sogar einen eigenen Buchladen eröffnet.
Das zeigt doch sehr klar, dass der Online-Versandhandel (von Büchern), ebenso wie das eBook-Geschäft, ihre Grenzen haben – selbst in der Heimatstadt von Amazon. Die eBook-Umsätze sind in den USA zuletzt wieder etwas geschrumpft. In Deutschland entwickelt sich das digitale Buchgeschäft (nur) langsam und beständig weiter. Hinzu kommt, dass auch das Deutschlandgeschäft von Amazon im Jahr 2014 an Fahrt verloren und erstmals seit 2010 ein Wachstum von unter 20 Prozent hingelegt hat (13 Prozent).
Ein mögliches Ende des Buchhandels auf Basis solcher Entwicklungen zu prognostizieren, nur weil einzelne eBooks gratis vergeben werden, halte ich für gewagt.
Preisbindungsverstoß oder nicht?
Dem mag man nun entgegenhalten, dass sich die Lage in Großbritannien in den vergangenen Jahren trotzdem deutlich verschärft hat. Dazu muss man allerdings sagen, dass die Marktstrukturen aufgrund der fehlenden Buchpreisbindung von Anfang an ganz andere waren, als das hierzulande der Fall ist. In Deutschland kann Amazon die Buchpreise nicht nach Belieben heruntersetzen und den lokalen Handel (kurz- oder langfristig) ausstechen. Eine gratis eBook-Aktion ändert an dieser Tatsache nichts.
Das sieht eBuch allerdings anders und hat Amazon und Bastei Lübbe abgemahnt. Im Schreiben heißt es sinngemäß, dass die kostenlose Abgabe preisgebundener Bücher einer Preisreduktion von 100 Prozent entspricht und als schwerwiegenster Buchpreisbindungsverstoß gewertet wird.
Nun haben Amazon und der Verlag bis zum 29. Januar, um eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, die solche Aktionen in Zukunft verhindern würde. Wenn das nicht geschieht und in die nächste Runde geht, dann darf man gespannt sein, wie die Sache ausgeht. Gratis eBooks und Bücher werden nicht nur als Marketinginstrument von Verlagen genutzt, sondern auch von anderen Händlern zur Kundengewinnung.
Sollten solche Geschenksaktionen per Gereichtsentscheid für rechtswidrig erklärt werden, würde das die ganze Branche treffen – und ironischerweise Amazon wohl am allerwenigsten. Der Versandriese würde dann eben nicht mehr mit einem Verlag zusammenarbeiten, sondern gratis eBooks aus dem reichhaltigen Selfpublishing-Sortiment und hauseigenen Verlagsprogramm anbieten.
Gegen die Buchpreisbindung verstoßen Preisaktionen (und dann ggf. Gratisvergaben) nämlich nur, wenn der Titel nicht überall gleich viel kostet. Nachdem viele KDP-eBooks exklusiv bei Amazon erhältlich sind (und der Versandriese auch entsprechende Deals mit populären Autoren aushandeln kann), ist die Preisgestaltung solcher Titel letztendlich flexibel.
Das Nachsehen hätten alle anderen Händler und Verlage, denen solche Strukturen fehlen.
Kindle-Geschäft auf Smartphones und Tablets im Fokus
Zum Schluss muss man sich aber eigentlich noch fragen, ob hier nicht viel Lärm um nichts gemacht wird: Das größte Problem dieser Aktion dürfte in den Augen der Gegner wohl sein, dass Amazon diese Maßnahme zur Kundengewinnung (und -Bindung) nutzen wollte und somit dem stationären Handel weiter Kunden abluchst. Ob das wirklich der Fall ist, lässt sich zwar nicht prüfen, ich bezweifle es allerdings.
Ich schätze viel eher, dass die meisten Personen die bereits online einkaufen und mit Amazons Geschäftspraktiken kein Problem haben, schon ein Amazon-Konto besitzen. Und jene die noch keine Kunden sind, aber grundsätzlich kein Problem damit haben es zu werden, wären sowieso irgendwann auf den Zug aufgesprungen. Die Gratis-eBook-Aktion wird nicht ursächlich dafür verantwortlich sein, dass Amazon einen neuen Kunden gewinnen konnte. Viel eher sind die sonstigen, wiederholten Preisaktionen in allen anderen Geschäftsbereichen (Blitzangebote, Adventskalender, Prime-Day, etc.) als effektive Kundengewinnungsmaßnahmen zu werten.
Hier ging es in Wirklichkeit um eine ganz andere Sache: Der Versandriese will das eBook-Geschäft abseits der dedizierten eBook Reader stärken. Seit Jahren deuten verschiedene Marktanalysen und Umfragen an, dass Digitalleser bevorzugt auf Tablets und Smartphones lesen. Nach der Flaute mit dem Fire Phone und dem schweren Start der Fire Tablets dürfte das Kindle-Geschäft in diesem Marktsegment noch Verbesserungsbedarf haben.
Auch die in den USA jüngst gestartete Reader’s Edition des Fire HD 8 Tablets ist ein Zeichen dafür, dass Amazon versucht diesen Bereich besser zu erschließen.