Die Vor- und Nachteile einer planen Gehäusefront bei eBook Readern

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Bei Smartphones und Tablets gehört die plane Gehäusefront mittlerweile zum Standard, doch das war nicht immer so. Vor dem iPhone hat im Grunde kein einziges Smartphone einen bündigen Touchscreen besessen, erst nach dem ersten Apple Mobiltelefon hat sich dies nach und nach geändert. Sinnvollerweise wohlgemerkt, denn besonders zur damaligen Zeit, als die Bildschirme und Anzeigeelemente noch kleiner waren und fingerfreundliche Benutzeroberflächen in den Kinderschuhen steckten, musste man an den Displayrändern oftmals Bedienhindernisse in Kauf nehmen, die mit einer planen Bauform in der Regel aus dem Weg geräumt werden konnten.

Auch bei eBook Readern hält diese Bauform mittlerweile verstärkt Einzug. Der Kobo Aura war der erste Mainstream-eReader der eine plane Gehäusefront besessen hat, danach folgten einige andere Geräte, wobei Tolino Vision 1 & 2, sowie der Kindle Voyage die wohl prominentesten Vertreter abseits des Kobo Geräts sind.

Tatsächlich erfreut sich die ebene Gehäusefront bei Kunden und auch bei Produkttestern großer Beliebtheit. Nicht selten wird ein planes Displaydesign als modern wahrgenommen und Neuvorstellungen die ohne eine solche Bauform auskommen, werden gelegentlich auch dafür kritisiert. So geschehen z.B. beim kürzlich vorgestellten Kobo Glo HD.

Mögliche Schattenbildung an den Rändern

Das kommt nicht von ungefähr, denn abgesehen von der (subjektiv) hübscheren Optik bietet eine plane Gehäusefront handfeste Vorteile in bestimmten Beleuchtungssituationen und der Bedienung. Besonders wenn man die Wischgeste zum Umblättern benutzt, ist die plane Bauform angenehmer, da man mit die Finger nicht über Vertiefungen oder Kanten führen muss.

Die größte Kritik muss sich die traditionelle Bauform mit versenktem Bildschirm allerdings wegen der Schattenbildung an den Rändern gefallen lassen. Strahlt eine externe Lichtquelle schräg auf das Display, sorgen die erhöhten Ränder dafür, dass sich Schatten auf der Anzeigefläche bilden. Das ist natürlich nicht besonders hübsch anzusehen und kann je nach Empfindlichkeit des Nutzers durchaus störend wirken.

Das nachfolgende Bild zeigt einen typisch im Gehäuse versenkten Infrarot-Touchscreen (am Kobo Glo HD). Hier sind die Schattenwürfe bei ungünstiger Lichteinstrahlung mitunter mehrere Millimeter breit (siehe rote Pfeile). Das gilt übrigens nicht nur für Geräte mit Infrarot-Technik, sondern auch für solche mit einem kapazitiven Touchscreen, der sich nicht über die gesamte Vorderseite erstreckt (z.B. Kindle Paperwhite oder Pocketbook Touch Lux 3). Auch bei diesen Geräten ist eine ähnliche Schattenbildung vorhanden, sofern die Lichteinstrahlung ungünstig ist.

Dadurch, dass der Bildschirm tiefer sitzt als die Gehäuseränder (im Bild Kobo Glo HD), können sich Schatten bilden (markiert durch die rote Pfeile).

Wirft man wiederum einen Blick auf ein Gerät mit planer Front (hier: Tolino Vision 2), sieht die Sache ganz anders aus. Die Schattenbildung ist aufgrund des geringen Abstands zwischen E-Ink Display und Touchscreen bzw. Gehäuse sehr viel kleiner, was mögliche Irritationen verringert.

Eine plane Gehäusefront (im Bild: Tolino Vision 2) minimiert die Schattenbildung, da der Bildschirm hier weiter oben sitzt (markiert durch die rote Pfeile).

Fairerweise muss man allerdings sagen, dass dieser Nachteil mit dem Aufkommen der eingebauten Frontbeleuchtungen im Normalfall nicht mehr ganz so schwer wiegt, denn viele Nutzer dürften das integrierte Licht auch tagsüber benutzen, wodurch sich das oben abgebildete Szenario verhindern oder zumindest minimieren lässt. Die zwei nachfolgenden Bilder illustrieren den Unterschied.

Zwar sieht man beim Kobo Glo HD weiterhin einen schmalen schattigen Streifen am Displayrand, dieser ist dank der aktivierten Beleuchtung aber weit weniger auffällig als noch zuvor. Beim planen Tolino Vision 2 verschwindet der Schatten bei ähnlicher Helligkeitseinstellung sogar fast vollständig.

Mit aktivierter Beleuchtung wird der Schatten unauffälliger …

… oder sogar fast unsichtbar

Ich persönlich würde der potentiellen Schattenbildung (es bleibt eine Frage der Positionierung zur externen Lichtquelle) bei der Kaufentscheidung daher kein allzu großes Gewicht einräumen. Mit der eingebauten Beleuchtung lässt sich dieser Nachteil oftmals minimieren.

Die Besonderheiten der Infrarot-Technik

Einen Sonderfall der nicht-planen Bauform nehmen Geräte mit einem Infrarot-Touchscreen ein, denn hier gibt’s zusätzliche potentielle Vor- und Nachteile. Ein möglicher Nachteil betrifft die höhere Schmutzempfindlichkeit des Touchscreens.

Die im Rahmen sitzenden Sensoren, welche die Berührungen des Nutzers registrieren, können durch Staubanlagerungen an den Rändern gestört werden. Die Folge können eine fehlende oder träge Reaktionsfreudigkeit oder Fehleingaben sein. Im Normalfall lässt sich dieses Problem allerdings mit einem kurzen Wisch mit einem Tuch unkompliziert beheben.

Kapazitive Touchscreens reagieren nur auf Veränderungen in der Oberflächenspannung und sind damit (relativ) unempfindlich für solche Probleme.

Ein besonderer Vorteil eines Infrarot-Touchscreen ist wiederum die fehlende Plastikbeschichtung. Während Kapazitivtechnik zwingend eine Trägerfolie benötigt, ist dies beim Infrarot-Touchscreen nicht der Fall. Wie bereits erwähnt, sitzen die Sensoren unsichtbar im Gehäuserahmen. Das sorgt dafür, dass die Anzeigeleistung störtfreier ist. Unter dem Mikroskop lässt sich der Unterschied besonders bei kleinen Anzeigeelementen gut sichtbar machen.

Die nachfolgende Vergrößerung des Kindle Voyage zeigt trotz gleicher Fokussierung des Mirkoskops eine geringe Unschärfe, die dadurch zustande kommt, dass über dem E-Ink Display zwei Plastikschichten sitzen (die Lichtträgerfolie und der Touchscreen). Die Streuung ist besonders an den Buchstabenrändern und der Körnung des Hintergrunds gut zu erkennen.

Kindle Voyage unter dem Mikroskop

Dem gegenüber sieht die Sache beim Kobo Glo HD mit Infrarot-Technik etwas schärfer aus. Die Lichtträgerfolie sorgt zwar auch hier für eine Streuung, allerdings ist der Effekt aufgrund der fehlenden Touchscreenebene geringer ausgeprägt.

Kobo Glo HD unter dem Mikroskop

Man muss aber ebenfalls erwähnen, dass der Unterschied mit dem freiem Auge bei normalem Leseabstand kaum auszumachen ist und eher für Personen relevant ist, die keine Kompromisse bei der Anzeigequalität eingehen möchten, egal wie gering sie auch sein mögen.

Kratzempfindlichkeit bei planer Gehäusefront

Der in meinen Augen größte Nachteil der planen Vorderseite ist das offensichtlich oft zum Einsatz kommende relativ weiche Material. Im Gegensatz zu Smartphones und Tablets wird kein besonders kratzfestes Gorilla-Glass genutzt, sondern diverse andere nicht genannte (Plastik-)Materialen. Dabei ist meist unklar, ob überhaupt eine besondere Kratzfestigkeit gegeben ist.

Einzig beim Kindle Voyage wird explizit darauf hingewiesen, dass eine „chemisch gehärtete Glasscheibe“ verwendet wird. Alle anderen Hersteller verlieren (meines Wissens nach) kein Wort darüber. Das ist deshalb relevant, da durch die plane Front der Reibkontakt mit einer Hülle oder in der Tasche, im Rucksack usw. potentiell höher ist. Schon kleine Staubkörner können für feinste Kratzer sorgen.

Bei einem eBook Reader mit eingelassenem Display ist die Gefahr solcher Mikro-Kratzer deutlich geringer, da normalerweise weder die Klappe der Gerätehülle noch sonstige Gegenstände im Rucksack oder der Tasche großflächig direkt am Bildschirm aufliegen.

Und tatsächlich hat sich hier bei meinem Tolino Vision der ersten Generation genau das Problem ergeben, dass nach mehrmonatiger Handhabung feinste Kratzer in der Displayoberfläche entstanden sind. Das nachfolgende Foto zeigt diese Mikro-Kratzer im Lichtschein (mit roten Pfeilen sind einige markiert).

Nach mehreren Monaten Nutzung haben sich kleinste Kratzer am Display meines Tolino Vision 1 gebildet.

Wie genau die Kratzer entstanden sind, kann ich leider nicht rekonstruieren. Fairerweise muss ich allerdings erwähnen, dass ich mit vielen meiner gekauften eBook Reader nicht gerade zimperlich umgehe. Zwar werden die Geräte nicht durch die Gegend geworfen, aber es kommt laufend vor, dass irgendwelche Gegenstände (Hefte und Zeitungen/Zeitschriften und andere eReader) einfach draufgelegt werden.

Dass die Kratzer meines Vision 1 kein Einzelfall sind, zeigt ein Test der Kollegen von Computerbase. Deren Kobo Aura Testgerät wies bereits bei Erhalt Gebrauchsspuren auf, wie es im Text heißt: „Dies gilt leider für die gesamte Kunststoffscheibe, die sehr empfindlich ist – unser Testgerät wies auch hier bereits deutliche Kratzer auf.“

Tatsächlich sind die Kratzer beim Vision 1 so fein, dass man sie nur bei bestimmten Winkeln sehen kann, was allerdings nicht bedeutet, dass diese im Lesebetrieb durch dezentes Glitzern nicht doch störend sein können.

Fazit

Vor- und Nachteile besitzen beide Bauformen: Während die plane Gehäusefront dem eReader in aller Regel eine moderne Optik verleiht, erhöht sich damit bei vielen Modellen aber auch die Gefahr für Kratzer der Bildschirmoberfläche. Abgesehen vom Amazon Kindle Voyage weist kein anderer Hersteller explizit auf die Kratzfestigkeit der Oberfläche hin.

Der wichtigste Vorteil der planen Vorderseite ist die deutlich verminderte Schattenbildung bei ungünstigem externen Lichteinfall (siehe Bilder), was sich bei den Geräten mit eingelassenem Display mit der eingebauten Beleuchtung aber relativ gut in den Griff bekommen lässt. Im Vergleich zur Infrarot-Technik muss man bei kapaziven Touchscreens (bei planer Front kommt ausschließlich diese Technik zum Einsatz), außerdem eine geringe Unschärfe in Kauf nehmen.

Vom praktischen Standpunkt schenken sich beide Bauformen meiner Meinung nach unterm Strich nicht allzu viel, d.h. die Eigenheiten abseits der Optik sind eher vom persönlichen Geschmack abhängig. Wichtig ist dabei eigentlich nur, dass man sich vor dem Kauf darüber im Klaren ist.

Wie siehst du das? Ist eine plane Vorderseite für aktuelle eBook Reader Pflicht, oder bevorzugt du ein eingelassenes Display (mit Infrarot-Technik)? Lass es uns in den Kommentaren wissen!

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Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
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