Amazon.de im Kreuzfeuer der Kritik, ein Kommentar

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In den letzten Tagen haben sich einige Kritiker zu Wort gemeldet, wenn es darum geht die Geschäftstätigkeiten von Amazon.de zu bewerten, offenzulegen und letztendlich zu verurteilen.

In der FAZ von 13. Februar hat Germanistikprofessor Roland Reuß von der Universität Heidelberg Amazon als Luxemburger Steuerumgehungskonzern, Quasimonopolisten oder Propagandaträger für die Kindle Geräte bezeichnet. Am Abend des gleichen Tages lief dann eine Dokumentation der ARD bzw. des hessischen Rundfunks (siehe Video am Ende des Artikels), welche die Praktiken Amazons im weihnachtsgeschäftlichen Leiharbeiterbetrieb genauer unter die Lupe genommen hat. Auch hier ist der Grundton als weitestgehend negativ zu bewerten. Schon am nächsten Tag veröffentlichte der Buchreport ein Interview mit Reuß, in welchem noch einmal nachgelegt und Amazons Expansionspolitik als „planierraupenmäßig“ bezeichnet wird.

ARD Sendung schockiert, Öffentlichkeitsarbeitsalbtraum

Der wahre Public-Relations-Albtraum dürfte aber jedenfalls der ARD-Bericht sein. Schon zu Beginn der Sendung wird durch das Intro schnell klar, wohin der Bericht führen wird. Mit düsterer musikalischer Untermalung, Glasscherben und Schatten- bzw. Rauchbildern wird der Weg für den weiteren Verlauf festgelegt (siehe Artikelbild oben). Es werden dabei die mangelhaften Arbeits- und Wohnbedingungen der Leiharbeiter thematisiert, welche offenbar zum Großteil aus Spanien, Polen und anderen durch Arbeitslosigkeit gebeutelten EU-Ländern stammen, ebenso wie die Security, welche angeblich Verbindungen zu rechtsradikalen Gruppen unterhält. Die Wirkung verfehlt der Bericht jedenfalls nicht: Er schockiert.

In Anbetracht dieser massiv negativen Berichterstattung sah sich Amazon gezwungen eine Erklärung abzugeben, in welcher es unter anderem heißt: „Sicherheit hat oberste Priorität in unseren Logistikzentren. Wir nehmen die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Mitarbeiter sehr ernst und überprüfen externe Dienstleister, die die Unterbringung von Saisonkräften aus anderen Regionen verantworten, regelmäßig. Wichtig ist uns hier auch die Rückmeldung unserer Mitarbeiter: Wann immer Mitarbeiter Verbesserungen im Rahmen der Arbeitsbedingungen oder der Unterbringung vorschlagen, prüfen wir dies umgehend.

Amazon duldet keinerlei Diskriminierung oder Einschüchterung. Auch wenn das Sicherheitsunternehmen nicht von Amazon beauftragt wurde, prüfen wir derzeit selbstverständlich den von den Redakteuren gemachten Vorwurf bezüglich des Verhaltens des Sicherheitspersonals und werden umgehend geeignete Maßnahmen einleiten.“

Bei der Erklärung geht man der Thematik nach den ausländischen Leiharbeitern aber aus dem Weg und geht lediglich auf die Vorwürfe betreffend der Sicherheitsfirma ein.

Fragwürdiger Zeitpunkt der Veröffentlichung

Aber so schlimm das alles auch klingt – und das tut es durchaus – für genauso wichtig halte ich es dabei kritisch zu bleiben. Ist es ein Zufall, dass diese Negativberichterstattung genau jetzt kommt? Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass Amazon im Jahr 2012 Rekordverkäufe gemacht hat, womit Deutschland der wichtigste Auslandsmarkt des US-Unternehmens ist.

Der deutsche Onlinehandel hat im Jahr 2012 mit 27 Prozent deutlich zugelegt. 27 Milliarden Euro wurden online mit Waren umgesetzt. Amazon.de hat im Jahr 2012 6,5 Mrd. Euro Umsatz generiert. Auch wenn hier reine Digitalangebote inkludiert sind, den Löwenanteil macht reguläre Ware aus, wodurch Amazon vermutlich zwischen 20 Prozent und 25 Prozent des deutschen Online-Handels kontrolliert. Die wahre Gefahr liegt aber darin, dass Amazon die Umsätze der stationären Einzelhändler schrumpfen lässt. Damit wundert es natürlich auch nicht, wenn sich verschiedene Institutionen, Vereine, Verlage usw. gegen Amazon zusammentun und die Gegnerschaft wächst. Ich will nicht unterstellen, dass dies hier passiert ist, aber es mutet schon eigenartig an, dass die Berichterstattung bzgl. Amazon kurz nach (erstmaligem) Bekanntwerden (sehr guter) offizieller Unternehmenszahlen für Deutschland deratig ins Negative umschlägt. Aber ob das nun wirklich der Ausschlag dafür war, spielt eigentlich keine allzu große Rolle, fest steht für die deutsche Konkurrenz schon seit Jahren: Der Hut brennt.

Kritisch bleiben! (?)

Aber auch wenn man sich den sonstigen ARD-Bericht ansieht, bleiben ein oder zwei Fragen offen. So wird eigentlich nur die saisonale Leiharbeitersituation in der Weihnachtszeit thematisiert. Abgesehen von den im Bericht erwähnten mangelhaften Wohn- und Lebensbedingungen, sollte es eigentlich nicht überraschend kommen, dass Amazon diese Arbeitnehmer nach dem Weihnachtsgeschäft zum Großteil nicht hält. Dazu ist der Umsatzrückgang direkt nach Weihnachten viel zu stark, als dass dies wirtschaftlich vernünftig wäre. Insgesamt beschäftigt Amazon in den deutschen Logistikzentren laut eigener Aussage 7.700 Fixangestellte. Zusätzlich 5.000 Leiharbeiter sollen es im 3-monatigen Weihnachtsgeschäft laut ver.di-Schätzung sein.

Während man Amazon mit dem Bericht an den Pranger stellt, ist es verwunderlich, dass man andere Händler und Einzelhandelsketten hier mit keinem Wort erwähnt und so völlig aus der Verantwortung nimmt. Amazon ist selbstverständlich nicht das einzige Unternehmen, welches Logistikzentren in Deutschland betreibt und vermutlich auch nicht das einzige Unternehmen, welches die Mitarbeiterzahlen in der Weihnachtszeit temporär aufstocken muss. Die Praktiken hierfür hat Amazon wohl nicht selbst erfunden. Es ist also keineswegs so, dass Amazon hier alleine am Pranger stehen sollte, wenn man diese Vorgehensweise schon kritisiert.

Zu guter letzt wird im Bericht auch noch erwähnt, dass sich Amazon zur Situation mit möglicherweise durch Steuertricks ersparten Sozialabgaben nicht äußern will. In der eingeblendeten E-Mail (Minute 25:24) heißt es zwar, dass man keine Interviews gibt, aber Fragen durchaus beantworten will. So heißt es seitens der Amazon Sprecherin wörtlich: „[…] leider konnte ich Sie gerade telefonisch nicht erreichen. Ein Interview kann ich leider nicht anbieten, wenn Sie uns aber noch Fragen schicken möchten, beantworten wir diese gern schriftlich/telefonisch.“ Dabei bleibt natürlich offen wie der bisherige und weitere Kontakt zu Amazon verlaufen ist, aber dem Betreff nach zu urteilen hatte man zumindest regen E-Mail-Kontakt. So unkooperativ wie im Bericht dargestellt, scheint Amazon also nicht unbedingt gewesen zu sein.

Amazon.de boykottieren?

Nicht allzu verwunderlich kommt die rasche (negative) Reaktion im Internet und in Social Media Netzwerken. Neben zahlreichen Kritiken wird da auch zum Boykott gegen Amazon aufgerufen. Neu ist die Forderung nicht. Schon mehrmals und von verschiedenen Seiten gab es die Aufforderung im stationären, örtlichen Handel zu kaufen. Hauptsächlich weil man damit die heimische Wirtschaft unterstützt, aber auch weil man damit den Sozialraum bewahrt, welcher durch die Einzelhändler mitgestaltet wird – so z.B. die Leitlinie von Buy Local.

Auch in Großbritannien lief vor kurzem eine Kampagne unter dem Namen „Boycott Amazon“, welche zum Ziel hatte den Online-Riesen zu schwächen und gleichzeitig dem stationären Handel unter die Arme zu greifen. Dabei standen allerdings nicht die Arbeitsbedinungen bei Amazon am Prager, sondern die Steuerpolitik des Unternehmens. Durch geschickte Buchhaltung gelingt es Amazon nur geringe Steuerabgaben zu bezahlen, während man jedoch Milliardenumsätze macht.

Nicht zu vergessen …

Was jedenfalls die im ARD-Bericht genannten Praktiken zur Arbeitsanstallung angeht, so sollte man mehrere Dinge nicht vergessen: Die Anstellung der Leiharbeiter geschieht laut ARD-Bericht durch den Personaldienstleister Trenkwalder, welcher nicht nur mit Amazon zusammenarbeitet, sondern mit zahlreichen anderen (u.a. deutschen) Firmen. Zum Beispiel Continental, Bosch, Magna, EON Group, Samsung, Siemens, Lego, General Electric und vielen anderen. Wer also Amazon aufgrund der genannten Praktiken boykottieren will, der sollte eigentlich auch so konsequent sein und andere Trenkwalder Kunden meiden.

Gleichzeitig darf man dann natürlich auch keine Elektronikgeräte mehr beziehen, welche in Asien gefertigt wurden, denn diese werden i.d.R. bei Unternehmen wie Foxconn zusammengebaut, von welchen inzwischen hinlänglich bekannt ist, dass die Arbeits-, Lohn- und Lebensbedingungen mehr als mangelhaft sind. Das gleiche gilt auch für viele Textil- oder Spielzeugunternehmen … im Grunde für fast alle Firmen die ihre Waren in China & Co. produzieren lassen. Man verlagert die Arbeit ja nicht dort hin, weil die Leute besser, sondern weil sie billiger arbeiten. Das hat aber bedauerlicherweise nicht nur etwas mit den geringeren Lebenskosten in diesen Ländern zu tun, sondern mit den deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen.

Die Liste der Unternehmen, welche man konsequenterweise meiden müsste, wenn man Amazon.de boykottiert, ließe sich so wohl beliebig fortsetzen. Macht das die weihnachtliche Leiharbeitersituation bei Amazon besser? Nein, natürlich nicht. Aber es geht noch viel schlimmer und wir sehen hier nur allzu gerne über die Missstände in anderen Ländern hinweg. Ich habe bei dieser ganzen Berichterstattung und den Reaktionen in diversen Social Media Kanälen jedenfalls den Eindruck, dass etwaige schon vorher bestandene Unsympathien, nun (endlich) einen Nährboden gefunden haben.

Ich persönlich werde weiterhin bei Amazon einkaufen, denn andernfalls müsste ich so konsequent sein und quasi alle globalisierten Unternehmen meiden. Um ehrlich zu sein, ist das in meinen Augen aber kaum machbar – zumindest nicht ohne deutliche Einschränkungen in meinem Konsumverhalten, sowie einer deutlichen Kostensteigerung. Will ich das, oder kann ich mir das leisten? Nein. Ich hoffe nun einfach darauf, dass Amazon in Folge des öffentlichen Drucks, der mit dieser Berichterstattung gewachsen ist, sich dieser Missstände annimmt und die Sache im nächsten Weihnachtsgeschäft besser aussieht.

Wie siehst du das? Hinterlasse doch einen Kommentar und sag uns deine Meinung zu der ganzen Thematik!

Bildquelle: ARD Bericht

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