OLG-Urteil: Gekaufte Inhalte müssen bei Kontoschließung zugänglich bleiben

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All-In-One-Lösungen sind üblicherweise komfortabler als die Nutzung mehrerer einzelner Angebote. So auch im eBook-Sektor: Amazon bietet nicht nur den Kauf von eBooks an, sondern liefert diese auch gleich mit der hauseigenen Kopierschutzlösung aus. Diese sorgt dafür, dass die erste Inbetriebnahme eines Kindle besonders einfach möglich ist. Im Gegensatz dazu ist man bei anderen Anbietern üblicherweise darauf angewiesen, zusätzlich zum Kundenkonto auch eine Adobe ID anzulegen, insbesondere wenn man in mehreren unterschiedlichen Shops einkauft.

Ein Nachteil der Alles-aus-einer-Hand-Lösung von Amazon ist die Tatsache, dass man dem Anbieter gewissermaßen ausgeliefert ist. Bei Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen behält sich Amazon nämlich das Recht vor, das Kundenkonto zu schließen. So heißt es in den AGB:

„Wir behalten uns das Recht vor, Ihnen Services auf der Webseite vorzuenthalten, Mitgliedskonten zu schließen oder Inhalte zu entfernen oder zu verändern, wenn Sie gegen anwendbare Gesetze, diese Nutzungsbedingungen oder andere anwendbaren Vertragsbedingungen oder Richtlinien verstoßen.“

Rücksendequote ein Schließungsgrund

Besonders problematisch scheint in diesem Zusammenhang eine überdurchschnittliche Retourenquote zu sein: Gibt man zu viele gekaufte Artikel (oder eBooks) zurück, könnte Amazon ein Problem damit haben. Wo die magische Grenze dafür liegt, ist allerdings nicht bekannt.

Bei der Recherche zu diesem Artikel bin ich auf einige Geschichten gestoßen, wonach in erster Linie massenhafte Rücksender betroffen sein sollen. In einer E-Mail an einen Kunden heißt es dementsprechend:

Natürlich kann es gelegentlich zu Situationen kommen, in denen man Produkte zurückgeben muss, allerdings ist die Häufigkeit Ihrer Rücksendungen außergewöhnlich hoch. Wir müssen Sie deshalb darauf hinweisen, dass wir aufgrund der Überschreitung der haushaltsüblichen Anzahl an Retouren in Ihrem Kundenkonto zukünftig leider keine weiteren Bestellungen entgegennehmen können und Ihr Amazon-Konto mit sofortiger Wirkung schließen.

Wenn man dann von Erzählungen wie in einem Kommentar auf Cachys Blog liest, dann kann man sich auch vorstellen, wie es dazu kommen kann:

Ich habe einen Bekannten, der hat seine Diplomarbeit auf einem Drucker von Amazon gedruckt, diesen nur für den einen Zweck bestellt und anschließend zurück gesandt. Bis auf Papierkosten nichts gewesen, Amazon hat diese anstandslos zurück genommen.

Dieser Kommentar stammt aus dem Jahr 2013 und wurde anlässlich einer damals offenbar weitreichenden Schließungswelle geschrieben.

Wie bereits erwähnt, bleibt aber offen, wo Amazon die Grenze für die Rücksendequote ansetzt.

OLG Köln Urteil

Am oben erwähnten Absatz der Amazon-Nutzungsbedingungen hat sich auch die Verbraucherzentrale NRW gestoßen und geklagt. Vor rund einer Woche hat das Oberlandesgericht Köln der Verbraucherzentrale Recht gegeben (AZ: OLG Köln 6 U 90/15) und hält fest, dass jeder zwar auch „ohne Angabe von Gründen entscheiden [kann], mit wem er Geschäfte macht. Dies darf aber nicht dazu führen, dass Verbraucher in ihren Rechten eingeschränkt werden.“

Das bedeutet, dass die bereits erworbenen Digitalinhalte auch nach der Kontoschließung nutzbar bleiben müssen. Das betrifft letztendlich natürlich nicht nur Amazon, sondern jeden eBook-Shop.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Auf Anfrage von Heise teilte Amazon mit, dass man zu laufenden Verfahren keine Auskunft gebe.

Ein praktisches oder nur ein theoretisches Problem?

Aber wieso ist das Ganze eigentlich relevant? Ganz einfach: Auch wenn man eBooks und sonstige digitale Inhalte zumeist problemlos am heimischen PC sichern kann, ein vorhandener Kopierschutz ist bei Amazon immer an das jeweilige Kundenkonto geknüpft. Kauft man ein eBook mit DRM, lässt es sich am Kindle oder in der App nur mit dem verknüpften Benutzerkonto öffnen.

Ob das Ganze auch tatsächlich ein praktisches Problem ist, kann ich allerdings nicht sagen, denn in den vergangenen Jahren hat Amazon bereits mehrmals klar gemacht, dass der Zugang zur Bibliothek auch bei Kontoschließung weiterhin möglich sein soll. In einem öffentlichen Statement auf der Amazon-Homepage hieß es übersetzt:

Hallo, wir möchten unsere Richtlinie zu diesem Thema klarstellen. Der Status des Kundenkontos sollte keinen Einfluss auf die Möglichkeit haben, auf die Bibliothek zuzugreifen. Wenn ein Kunde Probleme mit dem Zugriff auf die Inhalte hat, sollte er oder sie sich an den Kundenservice wenden.

Auch 2013 zur Kontoschließungswelle wurde dies in dieser Form kommuniziert. Das Urteil des OLG Köln scheint in diesem Licht also eher als Absicherung zu dienen und die (vermutlich) bestehende Praxis nur zu bestätigen.

Problematischer ist in diesem Zusammenhang eher, dass man in Falle einer Kontoschließung keine neuen Inhalte für den Kindle mehr kaufen kann. Die Amazon eBook Reader sind schließlich auf eine möglichst enge Bindung an das Kindle-Ökosystem ausgelegt.

Betroffene Kindle-Besitzer sind dann entweder gezwungen ein fremdes Kundenkonto zum eBook-Kauf zu nutzen, oder ihre eBooks in Zukunft woanders zu erwerben. Letzteres ist aber üblicherweise nur im ePub-Format möglich und weit weniger komfortabel.

Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
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