Montblanc Digital Paper im Test: Luxus trifft digitale Handschrift

Montblanc ist ein Name, der traditionell mit hochwertigen Schreibgeräten und exklusiven Lederwaren verbunden wird. Mit dem Montblanc Digital Paper betritt das Unternehmen nun erstmals den Markt der digitalen Notizgeräte – und das nicht als Zubehöranbieter, sondern mit einem vollständig selbst entwickelten Produkt. Tablet und Stift stammen aus einer Hand, die Positionierung zielt klar auf ein Premiumsegment.
Die entscheidende Frage ist jedoch: Steckt unter der edlen Oberfläche auch funktionale Substanz?
Videotest (Englisch)
Unboxing und Ersteindruck
Schon beim Auspacken wird deutlich, dass Montblanc das Digital Paper als Luxusprodukt versteht.

Die hochwertige Verpackung lässt schnell erkennen, dass es sich hier um kein typisches E-Ink Tablet handelt
Die Verpackung ist hochwertig, mit strukturiertem Karton und buchartigem Öffnungsmechanismus.
Tablet und Stift sind so angeordnet, dass letzterer im Fokus steht – eine bewusste Inszenierung und Referenz an die Herkunft der Marke.
Verarbeitung und Design
Mit einem Gewicht von rund 435 Gramm ohne Stift ist das Gerät vergleichsweise schwer, bleibt mit nur 4,9 mm Dicke aber extrem flach. Das aus Metall gefertigte Gehäuse vermittelt hohe Stabilität und Qualität, wirkt im Vergleich zu Konkurrenzgeräten wie Kindle Scribe oder Boox Note Air 3 sogar noch ein wenig hochwertiger und robuster. Die Kanten sind aber relativ scharf ausgeführt, was die Haptik etwas beeinträchtigen kann.
Am linken Rand befindet sich ein in Leder eingefasster Bereich zur Stiftaufnahme und -ladung. Diese Lösung erinnert an das Lenovo Smart Paper, wurde hier aber edler umgesetzt. Die vier Gummifüße auf der Rückseite verhindern ein Verrutschen beim Schreiben.
Je nach Farbvariante sind Rückseite und Rahmen unterschiedlich schmutzanfällig – besonders die schwarze Version neigt rückseitig stark zu Fingerabdrücken. Eine optionale Schutzhülle aus LEder ist erhältlich, schlägt jedoch mit heftigen 200 Euro zusätzlich zu Buche.
Stift: Funktional gelungen, haptisch enttäuschend
Im Vergleich zur Hardware des Tablets bleibt der Stift hinter den Erwartungen zurück. Das Kunststoffgehäuse (Polycarbonat) mit 17 g Gewicht wirkt trotz des hohen Einzelpreises von 270 Euro nicht angemessen hochwertig. Andere digitale Stifte – etwa von Supernote – bieten bei geringerem Preis eine bessere Haptik und Balance.
Technologisch verwendet Montblanc einen AES-Stift mit zusätzlicher USI-Kompatibilität. Der Stift wird kabellos geladen und bietet drei Bedienelemente: einen Taster am oberen Ende sowie eine Wippe an der Seite. Die Belegung ist teilweise konfigurierbar, aber nicht vollständig frei wählbar.
Die Integration der Bedienung in das System ist funktional, allerdings wäre eine offenere Button-Konfiguration wünschenswert gewesen.
Das Ladekonzept ist gelungen: Der Stift wird durch magnetisches Einrasten im Ledereinsatz zuverlässig gehalten und dabei automatisch geladen. Alternativ lässt sich der Stift auch seitlich befestigen – allerdings ist diese Lösung aufgrund der dünnen Bauform des Tablets und der vergleichsweise dicken Stiftform nicht so stabil wie das Platzieren im Ledereinsatz. Das Laden funktioniert zudem nur in der Griffleiste
Technik und Dateiverwaltung
Das Gerät verfügt über 4 GB RAM und 64 GB internen Speicher. Rund 47 GB davon sind nach Abzug des Systems noch nutzbar, jedoch sind laut Dateiexplorer bereits über 46 GB belegt – der Speicherverbrauch ist im ersten Moment nicht nachvollziehbar.
Der belegte Speicher kommt aber vermutlich durch das untypische Dateimanagement zustande: Dateiübertragungen erfolgen über zwei Import-/Exportordner. Dateien im Importverzeichnis werden automatisch verschoben und sind danach über den Datei-Explorer des Rechners nicht mehr auffindbar. Die maximale Dateigröße beträgt 100 MB – zu wenig für manche PDF-Dateien.
Der „freie“ Speicherplatz der über den Dateiexplorer sichtbar ist, dient also nur dem Übertragen von Daten via USB.
Gefertigt wird das Gerät in Vietnam – ein eher untypischer Produktionsstandort für E-Ink-Hardware, die üblicherweise aus China stammt. Damit ist das Montblanc Digital Paper eines der wenigen Notiztablets, das außerhalb Chinas gefertigt wird.
Display: Carta 1300 ohne Licht
Zum Einsatz kommt ein 10,3 Zoll großes E-Ink Carta 1300 Panel mit 300 ppi.
Damit erreicht Montblanc die aktuell höchste Auflösung bei 10.3″ E-Ink Notizgeräten. Die Darstellung ist scharf, der Hintergrund liegt mit einer Helligkeit im Messbereich bei L* 67 – vergleichbar mit Supernote Manta (L* 66) und Viwoods AI Paper (L* 69). Der Schwarzwert (L* 27) entspricht dem typischen Niveau der Carta-1300-Technologie. In anderen Worten: Die Ablesbarkeit ist E-Ink typisch sehr gut und angenehm, und liegt auf Höhe der Konkurrenz.
Ein Frontlicht fehlt jedoch vollständig. Die Entscheidung dagegen folgt dem Ziel eines möglichst papierähnlichen Schreibgefühls mit minimaler Display-Schichtdicke. In der Praxis schränkt das die Nutzbarkeit bei schlechten Lichtverhältnissen ein. Im Vergleich zu Geräten mit regelbarer Beleuchtung ist das für mein Empfinden ein doch spürbarer Nachteil, wenn man möglichst unabhängig von Tageszeit und externen Lichtquellen arbeiten möchte.
Ghosting-Effekte sind wie bei anderen Carta-1300-Geräten etwas stärker sichtbar, aber unterm Strich nicht allzu störend. Eine manuelle Display-Aktualisierung lässt sich sehr intuitiv per Stiftbefehl auslösen, wodurch der Nachteil etwas weniger schwer wiegt.
Die Papiertextur der Displayoberfläche entspricht in Haptik und Lichtreflexion weitgehend dem reMarkable 2. Sie streut einfallendes Licht leicht, reduziert Spiegelungen effektiv und verstärkt damit den analogen Schreibcharakter. Die Darstellung bleibt kontrastreich und wirkt insgesamt sehr angenehm.
Schreibgefühl
Die Eingabelatenz liegt bei etwa 23 ms und ist damit unter den besten im Segment. Damit fühlt sich das Schreibe sehr verzögerungsarm und natürlich an.
Drei verschieden harte Ersatzspitzen sind im Lieferumfang enthalten (Standard, glatt, matt). Die Spitzen sind farblich markiert und verändern spürbar das Schreibgefühl.
Die matte Variante bietet erhöhten Widerstand und ein leises Schreibgeräusch, die glatte gleitet leichter, bietet aber weniger Feedback. Damit lässt sich das Schreibverhalten an persönliche Vorlieben anpassen. Im Ergebnis zählt das Schreibgefühl zu den gelungensten im E-Ink-Bereich.
Zusätzlich zu den Spitzenoptionen trägt auch die Systemintegration zur gelungenen Schreiberfahrung bei. Werkzeuge wie Stift, Kugelschreiber oder Bleistift lassen sich frei wählen und in Strichstärke sowie -farbe (Schwarz, Grau, Weiß) anpassen. Druckstufen werden sauber erkannt. Die Neigungserkennung funktioniert zwar grundsätzlich, ist jedoch sehr subtil ausgelegt und im Vergleich zu anderen Geräten kaum spürbar. Palm Rejection arbeitet zuverlässig; es kam im Test zu keinen unbeabsichtigten Eingaben.
Schwächen zeigt das System bei diagonalen Linien, die eine leichte Wellenbildung aufweisen. Das ist typisch für kapazitive Stifteingabe (AES/USI) und auch bei Geräten wie dem reMarkable Paper Pro oder Boox Tab X C sichtbar. Beim normalen Schreiben fällt dies jedoch kaum ins Gewicht.
Software und Benutzeroberfläche
Die Software basiert auf Android 13, ist jedoch vollständig gesperrt und auf Notizfunktionen reduziert. Laut Montblanc wurde das System in Eigenregie ohne externe Partner wie Boox oder reMarkable entwickelt. Tatsächlich wirkt die Benutzeroberfläche eigenständig und sorgfältig gestaltet. Die Struktur erinnert in Ansätzen an reMarkable, bleibt aber keine Kopie.
Die UI-Elemente sind klein skaliert, was bei guter Sehfähigkeit ein klarer Vorteil für Übersicht und Design ist. Nutzer mit Seheinschränkungen könnten sich jedoch an der filigranen Darstellung stören.
Der Startbildschirm bietet Zugriff auf Notizbücher, Schnellnotizen und Ordner. Systemfunktionen sind über ein separates Kontrollzentrum erreichbar.
Notiznehmung
Das Notizsystem des Montblanc Digital Paper ist klar strukturiert, aber funktional reduziert. Neue Notizen (oder Schnellnotizen) lassen sich direkt vom Startbildschirm aus anlegen oder per Doppelklick auf den oberen Knopf des Stifts initiieren. Neben klassischen Notizbüchern gibt es Schnellnotizen und eine einfache Ordnerstruktur zur Organisation.
Im Schreibmodus stehen verschiedene Werkzeuge zur Auswahl – darunter Kugelschreiber, Bleistift und Marker – mit jeweils anpassbarer Strichstärke und drei Farben. Die Werkzeugleiste kann ausgeblendet, aber nicht frei auf dem Bildschirm verschoben werden.
Es gibt abgesehen davon kaum erweiterte Funktionalität zur Notiznehmung, d.h. der Fokus liegt hier auf den reinen Schreibbetrieb, weniger auf Produktivität. Somit fehlen Funktionen wie Querverlinkungen, Tags oder Ebenen, um die wichtigsten zu nennen.
Stiftfunktionen
Besonders hervorzuheben ist die gute Integration des Stifts in das System. Ein Doppelklick auf das Stiftende öffnet eine neue Schnellnotiz, ein einfacher Klick kehrt zum Startbildschirm zurück. Langes Drücken aktualisiert den Bildschirm. Die Seitenwippe ist ebenfalls belegbar, etwa zum Wechseln zwischen Werkzeugen oder Auslösen einer Funktion.
Die Zuordnungsmöglichkeiten der Tasten sind jedoch eingeschränkt. Nutzer können keine beliebigen Funktionen frei auf alle Tasten verteilen. Dennoch ist die Bedienung insgesamt intuitiv und sinnvoll umgesetzt. Die Stiftbefehle verbessern den Arbeitsfluss spürbar.
Ein weiteres Detail ist die haptische Rückmeldung des Stifts bei bestimmten Aktionen – etwa beim Auslösen einer Funktion. Diese lässt sich systemseitig deaktivieren, wurde jedoch insgesamt stimmig umgesetzt. Es handelt sich dabei nicht um ein dauerhaftes Vibrationsfeedback wie bei Geräten mit Pseudo-Haptik, sondern um gezielte Signale zur Bestätigung einzelner Befehle.
Cloud und Sicherheit
Das System bietet eine optionale Cloud-Anbindung über ein Montblanc-Konto. Die Verschlüsselung erfolgt laut Hersteller sowohl auf dem Gerät, während der Übertragung und auf dem Server.
Die Daten werden in Deutschland gespeichert. Damit zählt Montblanc zu den wenigen Anbietern mit explizit datenschutzfreundlichem Setup.
Handschrifterkennung: Schnell und lokal
Die Suche nach handschriftlichen Inhalten ist direkt auf dem Gerät möglich, funktioniert offline und liefert schnell Ergebnisse. Eine Hervorhebung der Treffer innerhalb der Seiten erfolgt aber nicht. Die Erkennungsrate ist hoch, wodurch die Suchfunktion einen echten Mehrwert bietet und den ansonsten recht überschaubaren Funktionsumfang ein wenig abfedert.
Die Texterkennung erfolgt vollständig lokal auf dem Gerät – was nicht immer selbstverständlich ist. Es ist keine Internetverbindung notwendig, und Suchergebnisse erscheinen innerhalb weniger Sekunden. Das steigert die Alltagstauglichkeit deutlich, auch wenn die Ergebnisse keine Hervorhebung der Fundstellen im Dokument selbst enthalten. Im Vergleich zu abonnementpflichtigen Lösungen – wie etwa bei reMarkable – ist dieser Offline-Funktionsumfang positiv hervorzuheben.
PDF und Lesefunktionen
Das System unterstützt DRM-freie EPUB- und PDF-Dateien, die Ausführung ist aber sehr rudimentär.
PDF-Anmerkungen sind mit dem Stift möglich, das Zoomen fehlt jedoch vollständig, ebenso eine automatische Rotation. Die Nutzung von PDF-Dateien im Querformat ist dadurch stark eingeschränkt.
EPUB-Datei lassen sich öffnen und ebenfalls mit dem Stift annotieren, wenn man das Text-Layout anpasst, werden die handschriftlichen Notizen allerdings gelöscht.
Akkulaufzeit
Die Akkukapazität liegt bei 3.740 mAh. Im Dauerschreibbetrieb erreichte das Gerät im Test rund 10 Stunden – ein sehr guter Wert im Vergleich zu anderen Tablets dieser Klasse.
Beim Lesen einfacher EPUB-Dateien lag die Laufzeit bei nur etwa 22 Stunden, was wiederum vergleichsweise niedrig ist.
Der Stift besitzt einen 40 mAh Akku und hält ohne Nachzuladen rund 45 Stunden durch. Dank der automatischen Ladefunktion in der Griffleiste braucht man sich über die Akkulaufzeit des Stifts aber keine Gedanken zu machen.
Fazit
Das Montblanc Digital Paper ist ein eigenständig entwickeltes E-Ink-Gerät, das sich sichtbar von den OEM-Lösungen anderer Anbieter abhebt. Verarbeitung, Interface und Schreibgefühl wurden mit hohem Anspruch umgesetzt. Die Eingabequalität zählt zum Besten im Segment, besonders durch die variablen Spitzenoptionen.
Allerdings müssen Käufer funktionale Einschränkungen akzeptieren: keine Frontbeleuchtung, limitierte Dateiverwaltung, rudimentäre Lese- und Annotationsfunktionen. Auch der Stift enttäuscht hinsichtlich Materialwahl und Haptik – gerade in Anbetracht des Preises und der Markentradition.

Das Montblanc Digital Paper ist ein ordentliches Gerät, hat in Hinblick auf den Softwarefunktionsumfang aber noch deutlich Luft nach oben. Der Preis ist aber zu hoch wenn man das Gesamtpaket im Vergleich zum Mitbewerb betrachtet und die Marke ausblendet.
Das Gerät richtet sich nicht an Nutzer mit dem Anspruch maximaler Produktivität, sondern an jene, die Wert auf ein möglichst analoges Schreibgefühl im digitalen Kontext legen – und bereit sind, für Verarbeitung, Marke und Schreibqualität einen deutlichen Aufpreis in Kauf zu nehmen.
Mit Blick auf die Preisstruktur – 890 Euro für Tablet und Stift, weitere 200 Euro für die passende Hülle – überschreitet das Digital Paper klar die 1000-Euro-Marke. Für einen E-Ink-Notizblock ohne Beleuchtung, mit reduziertem Funktionsumfang ist das ein ambitionierter Betrag. Wer jedoch explizit ein stilistisch eigenständiges Gerät mit klarer Markenidentität und einem herausragend abgestimmten Schreibgefühl sucht, erhält hier eine gut umgesetzte Alternative zu den etablierten Systemen von reMarkable, Boox oder Supernote.