USA: eBook-Überwachung an mehreren Universitäten – mit CourseSmart
Vor rund einem halben Jahr haben wir schon von der stattfindenden Datensammlungswut der großen eBook-Konzerne berichtet. Liest man ein eBook auf der entsprechenden Leseplattform (bzw. dem Endgerät), dann lesen auch Amazon, Barnes & Noble, Kobo, Apple oder Google mit. Das Leseverhalten wird durch die Unternehmen aufgezeichnet und ausgewertet. So kann man später genau sagen, welche Stellen im Buch besonders gut angekommen sind und welche weniger gut. Dadurch sollen Bücher in Zukunft auch immer besser auf die Masse der Leser zugeschnitten werden.
Aber nicht nur für Autoren bzw. das Verlagswesen sind diese Daten nützlich, auch im Sinne personenbezogener Auswertungen lässt sich so recht viel anstellen, wie die New York Times berichtet. An 9 verschiedenen US-Universitäten wird aktuell eine Technologie getestet, welche es den Lehrkräften erlaubt, die Lernfortschritte von Studenten anhand der eBook-Tätigkeiten zu verfolgen. Im Gegensatz zur vorhin genannten Massenauswertung funktioniert die von CourseSmart entwickelte Technik ganz individuell.
Big Brother – mit guter Absicht
Die Professoren können sehen, wo im eBook Notizen gemacht wurden, welche Passagen übersprungen wurden oder ob das eBook überhaupt geöffnet wurde. Eine involvierte Studiendekanin räumt ein, dass sich das Ganze sehr nach Big Brother anhört: “Es ist Big Brother, irgendwie, aber mit guter Absicht“. Ist es das nicht immer – mit guter Absicht?
So sollen Professoren das Gespräch mit Studenten suchen, wenn deren „Engagement-Index“ irgendwelche Auffälligkeiten aufweist. Im NYT-Artikel wird ein Beispiel von einem Studenten genannt, der laufend solide Noten bekommt, der sein eBook zum Kurs aber nur einmal geöffnet hat – und zwar in der Nacht vor der Prüfung. Der zuständige Professor hat darauf hin das Gespräch mit dem Studenten gesucht, um seine Lerngewohnheiten zu diskutieren. Der Professor hat sich nämlich gefragt, ob man wirklich etwas lernen kann, wenn man das Material nur einmal kurz vor dem Test durchliest.
Die Zukunft des E-Learning?
Auch wenn E-Learning in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist, diese Enwicklung ist doch in vielerlei Hinsicht bedenklich. Mal abgesehen von datenschutzrechlichen Implikationen (die gewonnen Daten laufen bei CourseSmart zusammen) ist das Aufzwingen einer ganz speziellen Lernmethode mit Sicherheit kein Fortschritt oder Gewinn für den Lehr- und Lernbetrieb. Macht ein Student nämlich außerhalb der CourseSmart-App Notizen oder druckt sich verschiedene Textpassagen aus um sie auf Papier zu lesen, resultiert das in einer schlechteren Bewertung, was wiederum Auswirkungen auf die Note haben kann. Der Zwang zu einem womöglich individuell unsympathischen Medium wird den Lernforschritt sicherlich nicht unterstützen.
Das Ganze ist auch insofern unsinnig, da man solche Dinge im Bedarfsfall leicht manipulieren kann. Die tatsächliche Aussagekraft hinter diesem System ist also mehr als nur begrenzt. CourseSmart gibt sich der eigenen Sache aber natürlich sicher: „Wir werden eindeutig zeigen, wie Studenten ein Buch durchlesen. (…) Es gibt eine Korrelation und Kausalität zwischen Engagement(-Index) und Erfolg“.
Im Herbst soll das Pilotprogramm beendet sein und in größerem Umfang angeboten werden. Man darf gespannt sein, wie sich die Sache entwickelt. Auch wenn ich dem digitalen Lesen voll und ganz verfallen bin, halte ich diese Entwicklung für bedenklich. Was denkst du? Lass es uns in den Kommentaren wissen!