Liquavista will den eBook Reader Markt revolutionieren – ist es 2018 so weit?

Geschätzte Lesezeit: 5:26 min.

Update: Die Anzeichen mehreren sich, dass Amazon die Liquavista-Technik für die nächste Kindle- oder Fire-Generation in Stellung bringt. In diesem Artikel haben wir die neuesten Informationen dazu zusammengetragen. In der nachfolgenden Originalmeldung wird die Funktionsweise zur Liquavista-Technik erklärt, sowie die Unterschiede zur aktuell gebräuchlichen E-Ink-Technologie beschrieben.

Originalmeldung: Nach einiger Vorlaufzeit und immer wieder neu aufgekommenen Gerüchten hat Amazon das niederländische Technologieunternehmen Liquavista im April 2013 gekauft. Liquavista hat sich auf die Entwicklung sogenannter Electrowetting-Technik (Deutsch: Elektrobenetzung) spezialisiert und diese in den letzten 4 Jahren zur Marktreife gebracht.

Es macht den Anschein, als ob nun auch endlich der Marktstart erfolgen soll, denn Liquavista hat einige Jobs ausgeschrieben (Hinweis: Die Liquavista-Webseite ist mittlerweile offline), die offenbar genau darauf abzielen. Zu den ausgeschriebenen Stellen gehören u.a. Process Quality Engineer, Product Test Engineer, Process Development Engineer und Product Development Manager.

Dass dabei auch die Entwicklung zumindest eines neuen Kindle Geräts im Vordergrund steht, zeigt die Erwähnung von Lab126 in der Stellenausschreibung zum Product Development Manager. Lab126 ist ein Tochterunternehmen von Amazon und zeichnet sich für die Kindle-Geräteentwicklung verantwortlich.

Da stellt sich natürlich die Frage, wann ein Liquavista-Kindle auf den Markt kommen soll. Aufgrund der produktionstechnischen Nähe zum LCD kann davon ausgegangen werden, dass das Grundkonzept für die Massenproduktion der Liquavista-Technik schon steht. Ein Marktstart im Jahr 2015 erschien nicht unrealistisch. Dazu kam es letztendlich zwar nicht, Amazon brachte die niederländische Firma aber offenbar in Stellung für einen Marktstart im Jahr 2016 (siehe oben).

Liquavista Electrowetting vs. E-Ink Technik

Wird Spannung angelegt, verändert sich die Positionierung des (hier blauen) Ölfilms; Bildquelle: Liquavista

Als Außenstehender konnte man schon zur Übernahme des Unternehmens davon ausgehen, dass die Electrowetting-Technologie viel Potential mitbringt, denn Amazon hatte bisher immer ein glückliches Händchen bei der Wahl nach der richtigen Technik für deren Endgeräte. Ein Blick auf die technischen Daten der Liquavista-Technologie bestätigt diesen Eindruck.

Die neue Bildschirmtechnologie hat gegenüber traditionieller elektrophoretischer E-Ink Technik eine Reihe von Vorteilen. Wie aktuell übliche E-Ink Displays, können Electrowetting-Bildschirme rein reflektiv betrieben werden, was bedeutet, dass keine Hintergrundbeleuchtung zum Einsatz kommt und die Ablesbarkeit vom einfallenden Licht abhängt. Je heller die Umgebung, desto besser lässt sich das Display ablesen. Alternativ kann die Technik auch transflektiv oder transmissiv genutzt werden, was weitere Anwendungsmöglichkeiten eröffnet.

Dabei punktet die Liquavista-Technologie außerdem mit besseren Kontrast- und Reflektivitätswerten. Das maximale Kontrastverhältnis kann entweder 12:1 oder bis zu 18:1 betragen, bei einer Reflektivität von 60 Prozent. Zum Vergleich: Die bereits hervorragend ablesbare E-Ink Carta Technik liegt mit einer Reflektivität von 44 Prozent und einem maximalen Kontrastverhältnis von 15:1 zum Teil deutlich zurück. Papier verfügt über einen Reflexionsgrad zwischen 70 und 80 Prozent mit einem typischen Kontrastverhältnis von bis zu 15:1. Die hohe Reflektivität in Verbindung mit den ausgezeichneten Kontrastwerten könnte eBook Reader mit Liquavista-Technik auf eine ganz neue Ebene hieven.

Für eBook Reader und Tablets

Außerdem lassen sich die Liquavista-Displays auch in Farbe betreiben, entweder mit oder ohne Farbfilter. Die Technik ohne Farbfilter funktioniert durch einen Mehr-Ebenen-Aufbau des Displays, wobei jede Ebene eine andere Farbe darstellen kann. Durch „mischen“ der Ebenen lässt sich jede beliebige Farbe generieren, wobei die Farbpalette zwar nicht ganz an einen üblichen LCD heranreicht, aber laut Datenblatt dennoch weit besser ist als bei aktuell erhältlichen Farb-E-Paper Displays.

Drei Ebenen zur Farbdarstellung; Bildquelle: Liquavista

Ein weiterer Pluspunkt ist der schnelle Bildwechsel, der bis zu 60 Bilder pro Sekunde erlaubt und damit auch das Abspielen von Videos problemlos möglich macht. Dadurch ist der Einsatz der Technik auch für den Tablet-Bereich interessant.

Unklarheiten und Nachteile

Allerdings gibt es auch ein paar Unklarheiten und Nachteile gegenüber der üblichen E-Ink Technik. Die maximal mögliche Auflösung eines Electrowetting-Displays wurde bisher nirgendwo genannt. Meist wird von einer Pixeldichte von 160 ppi gesprochen, was einer Auflösung von 800x600 Pixel bei einer Displaydiagonale von ca. 6,2 Zoll entsprechen würde.

Der größte Nachteil – zumindest im eBook-Reader-Betrieb – betrifft den Stromverbrauch. Im Gegensatz zum E-Ink Display, bei dem die Polarität einmalig verändert wird um die Tintenpartikel neu anzuordnen, benötigt ein Electrowetting Bildschirm eine dauerhafte Spannung um den Ölfilm auszurichten. Wird keine Spannung angelegt, bleibt der Bildschirm schwarz. Die Akkulaufzeit eines eBook Readers mit dieser Bildschirmtechnik wird also vermutlich geringer sein als bei einem aktuellen E-Ink Gerät. Wie groß der Unterschied letztendlich ist, lässt sich noch nicht sagen, da Liquavista den Stromverbrauch bisher nur für den Videobetrieb angibt. Dieser liegt rund 70 Prozent niedriger als bei herkömmlicher LCD-Technik. Außerdem rechnet das Unternehmen mit einer weiteren Reduktion.

Ein weiterer Nachteil – zumindest im Farbbetrieb – könnte die eher geringe Blickwinkelstabilität sein. Zwar gibt Liquavista unbegrenzt große Betrachtungswinkel an, allerdings ist im nachfolgenden Video ein schwacher vertikaler Helligkeitsverlauf sichtbar. Während die gute Ablesbarkeit zwar erhalten bleibt, verfärbt sich der Bildschirm bei einem größeren horizontalen Betrachtungswinkel auch leicht rötlich (ab Minute 0:07 im Video). Für einen eBook Reader mit Schwarz-Weiß-Display, gäbe es das Problem aber wohl nicht, denn die Verfärbung kommt vermutlich durch die Mehr-Ebenen-Konstruktion (siehe oben) zustande.


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Ausblick und Möglichkeiten

Neben dem möglichen Zeitpunkt der Veröffentlichung eines Liquavista-Geräts bleibt auch das angestrebte Anwendungsgebiet weiter offen. Aufgrund der Vielseitigkeit der Technologie ließe sich sowohl ein eBook Reader als auch ein Tablet mit der Technik ausstatten. Ein Hybrid-Gerät ist ebenso denkbar und würde die Grenzen zwischen den beiden Geräteklassen weiter verwischen.

Auflösung und Stromverbrauch bleiben dabei aber nicht die einzigen Unbekannten, denn auch zu den Produktionskosten ist nicht viel bekannt. In einem früheren Statement hat Liquavista allerdings angegeben, dass sich die Displays aufgrund der technischen Nähe zum LCD-Aufbau ohne allzu großen Aufwand herstellen lassen. Das sollte die Kosten niedrig halten.

Sollte Amazon noch in diesem Jahr den Startschuss für ein Liquavista-Endgerät geben, dann wohl erst im Spätsommer/Herbst. Damit würde der Versandriese dem üblichen Ein-Jahres-Zyklus folgen, den man mit der aktuellen Kindle Produktpalette bereits seit längerem geht.

Nachdem Amazon im vergangenen Weihnachtsgeschäft 2013 mit der E-Ink-Carta-Exklusivität bereits einen deutlichen Vorteil gegenüber den Mitbewerbern hatte, könnte sich die Situation für die Konkurrenz 2016 ebenfalls wieder verschärfen – zumindest wenn die Liquavista-Technik den hohen Erwartungen und technischen Datenblättern auch in der Praxis gerecht wird.

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Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
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